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Frage Nr. 34905 von 24.04.2022

Hallo liebes lilli team
W-20
Ich bin seit einem Jahr in einer festen Beziehung und ich liebe meinen Partner sehr. Aber über die letzten 1-2 Monate wird es zwischen uns immer so ernst. Wir diskutieren über kleine Sachen und kommen dann irgendwie auf das Gespräch, ob wir wirklich füreinander gemacht sind. Das ist sehr anstrengend und wir wissen nicht wie weiter. Habt ihr vielleicht eine Idee?

Auch ist es so, dass ich eine eher Unsichere Bindung habe in einer Beziehung (anxious attachment) und irgendwie wird das in letzter Zeit immer stärker und ich weiss nicht wieso. Es geschieht bei mir schnell, dass ich das Gefühl bekomme mein Partner hat keine Lust mehr auf mich und dass ich ihn nur nerve. Ich habe ihm das auch gesagt, aber irgendwie geschieht es trotzdem immer wieder. Ich muss ihn oft neu darum bitten mich zu versichern, dass alles okey ist und ich musste ihm auch schon oft sagen, dass ich mehr Unterstützung brauche von seiner Seite her. Ich arbeite sehr Aktiv an meinen Unsicherheiten und an mir selbst, aber es fühlt sich an, als ob es nichts bringen würde, da ich niemanden habe, der mir wirklich entgegen kommt. Ich glaube, dass mein Freund nicht versteht wie schwierig es für mich sein kann und das ich mir bewusst bin wie irrational meine Ängste sind, aber ich trotzdem nicht einfach aufhören kann mich so zu fühlen. In den Momenten wo meine "anxiety" am höchsten ist brauche ich eigentlich nur die Nähe meines Partners und eben dass er mir sagt, das alles okei ist und das er noch da ist. Aber er nimmt es so auf, als ob ich ihn kontrollieren und einschränken will, als ob er mir immer genau sagen müsste was er am machen ist.

Es stimmt schon das ich gerne weiss was er macht, aber ich versuche nicht in zu kontrollieren, er muss mich auf keinen Fall fragen ob er zB mit seinen Freunden raus gehen darf. Ich will es nur wissen, damit ich weiss, was bei ihm los ist. Es kann sein das wenn ich länger nichts von ihm höre und keinen Grund kenne wieso er mir so lange nicht schreibt, das ich dann irgendwie darauf komme das ihm etwas schreckliches geschehen ist oder eben das er keine Lust mehr hat auf mich. Das bringt mir enormen Stress. Es ist zwar irrational, aber die Gefühle sind echt, ich gerate trotzdem in Panik und weiss nicht was machen. Weil ich mir bewusst bin, wie unlogisch das alles ist und weiss dass er wahrscheinlich einfach beschäftigt ist, habe ich dann auch Angst meine Gefühle bei ihm auszudrücken. Ich warte dann so lange bis ich nicht mehr kann und am Ende kommt es so raus als ob ich nicht zufrieden bin mit wie viel wir schreiben, alles eskaliert und ich fühle mich vernachlässigt, alleine, ich fühle mich dumm und auch nervig. Bei ihm kommt es so an als ob er dann keine Freiheit hätte und immer bei mir sein müsste.
Ich fühle mich einfach so oft alleine und habe mich schon immer so alleine gefühlt. Ich habe Angst dass ich meinen Partner nur nerve und einfach mal still sein sollte statt immer diese Beruhigung und Versicherung von ihm zu verlangen.

Es macht aber Sinn das ich mich so fühle, ich wurde als Kind fast immer ausgeschlossen, viele Freund*innen von mir wirkten immer so als ob sie keine Lust auf mich hätten. Auch in meiner Familie werden meine Bedürfnisse und Grenzen oft einfach ignoriert. Ich habe mich kaum jemals wie eine Priorität für jemanden gefühlt. Es ist also normal, dass in einer festen Beziehung alle diese Unsicherheiten so stark zum Vorschein kommen. Ich will einfach nicht mehr einsam sein, ich will jemanden haben, der mich wirklich wichtig fühlen lässt. Mein Partner gibt sich Mühe, aber es ist sehr oft vorgekommen, das ich einfach mehr Nähe brauche und das dann eben all diesen Stress in mir auslöst. Und am Ende bringe ich einfach schlechte Stimmung in die Beziehung. Ich gebe mir so Mühe nicht so zu sein, ich gene mir so Mühe einfach ruhig und still zu bleiben und einfach "normal" zu handeln, aber es geht nicht und es nimmt so viel Energie aus mir. Ich bi. Wirklich verloren und weiss nicht was machen.

Ich gehe schon in die Therapie (seit etwa einem Monat) und wie gesagt, ich arbeite aktiv an mir aber ich bin so alleine damit. Ich kann das nicht alles alleine, deshalb frage ich meinen Partner auch ob er mir helfen kann. Ich brauche Regelmässigkeit, ich brauche sehr viel emotionale Nähe und ich brauche es einfach zu wissen das alles in Ordnung ist, das man mich noch liebt und ich muss auch von meinem Partner wissen was er so ungefähr macht an einem Tag, ich glaube nicht das ich zu viel verlange.

Denkt ihr das ist richtig so? Sollte man wenn man eben "anxious" ist all das verlangen? Ich bekomme oft das Gefühl das ich genau das Gegenteil machen sollte, einfach ihm so viel Platz geben wie möglich, brav hier sitzen und keine Bedürfnisse haben. Aber das ist unnormal, das verletzt einfach mich und dir Beziehung. Ich bin sehr verloren, ich weiss wirklich nicht wie weiter. Ich habe alles das schon viele Male meinem Freund erklärt, aber irgendwie scheint es nichts zu helfen. Oder vielleicht bin ich so beschäftig mit dem Negativen das ich nicht sehe wie gut es wir haben? Ich weiss wirklich nicht wie weiter und nichts hilft. Ich kann mich nicht beruhigen, ich überdenke alles, egal wie hart ich versuche einfach ruhig zu bleiben. Ich schaffe es nicht mehr. Ich bin wirklich verloren und hoffe ihr könnt mir weiterhelfen und konkrete Vorschläge geben.

Unsere Antwort

Gut, dass du in einer Therapie bist. Ich gehe nämlich mit dir einig, dass du Unterstützung brauchst. Aber dein Freund kann diese Rolle nicht übernehmen. Er sollte das auch nicht. Das ist die Rolle deiner Therapeutin. Ich finde es für eine Beziehung nicht gut, wenn der Partner die Rolle des Therapeuten übernimmt.

Ich werde dir hier einige Dinge schreiben, die hart klingen. Ich tu das deshalb, weil ich sehe, dass deine Not gross ist, und dass es nicht so weiter gehen kann. Ich glaube auch, dass eure Beziehung keine Chance hat, wenn du so weiter machst. Und ich glaube, du spürst ganz richtig, dass die Lust deines Partners auf dich sinkt und er sich genervt fühlt.

Du glaubst nicht, dass du zu viel von deinem Freund verlangst. Ich finde, du verlangst viel zu viel von ihm. Das Problem liegt schon im Wort "Verlangen". Du kannst dir etwas wünschen. Das erlaubt ihm die Möglichkeit, zu entscheiden, ob er es dir geben möchten oder nicht. Verlangen aber heisst, er muss es machen. Lies nochmal, was du geschrieben hast, und schau, wie oft da das Wort "müssen" vorkommt. Müssen macht unfrei. Ich verstehe absolut, dass dein Freund sich kontrolliert und eingeengt fühlt. Wenn du so weiter machst, fürchte ich, treibst du ihn in den Wind.

Hat deine Therapeutin dich auf den Begriff "anxious attachment" gebracht? Du verwendest ihn wie einen Stempel im Pass, der bestimmt, wie du bist und was du brauchst. Das ist nicht zielführend. Dein Bindungsstil ist geprägt duch deine frühkindlichen Bindungserfahrungen. Er bezieht sich auf die Beziehung zwischen Kind und Eltern. Er ist ein Ausgangspunkt, von dem aus du Sicherheit in Beziehungen entwickeln kannst.

Du hast als Kind wenig Sicherheit und viel Einsamkeit erlebt. Das ist für ein kleines Kind schrecklich und sehr, sehr beängstigend. Ein kleines Kind ist bedürftig und braucht die Mutter, um es zu "ko-regulieren". Das heisst, es braucht die Mutter, um ihm Sicherheit und Geborgenheit zu spenden und um es zu trösten und ihm beizubringen, mit unangenehmen Gefühlen umzugehen. Dir wurde das offenbar nicht beigebracht. Sonst hättest du heute nicht so Probleme mit Angst oder Alleinsein. Du hättest einen Umgang damit gelernt und könntest dich selbst trösten. Dafür könntest du die Psychotherapie jetzt nutzen: Du kannst dort "nachlernen", mit dir und deinen Emotionen umzugehen und dich selbständig zu trösten und dir selbst Fürsorge und Geborgenheit zu spenden.

Denn als Erwachsene müssen wir das selbst können. Unsere Partner*innen sind nicht unsere Eltern, und wir sind nicht ihre Kinder. Du beschreibst deinen Freund und die Forderungen, die du an ihn hast, ein bisschen so als seist du ein Kind und er deine Mutter. Das ist eine sehr, sehr schlechte Voraussetzung für eine Beziehung. Dein Partner spürt das und wehrt sich dagegen.

Dein Partner spürt wahrscheinlich noch etwas anderes: Er fühlt sich von dir immer mal wieder ausgenutzt, instrumentalisiert. Wie ein Mittel zum Zweck. Wenn du ihn brauchst, um deine Angst geringer zu machen, nutzt du ihn tatsächlich aus. In dem Augenblick hast du wohl auch wenig Verständnis dafür, wie es ihm geht. Er "muss" auf eine bestimmte Weise funktionieren, damit du keine Angst haben "musst". Diese Art des Instrumentalisierens steht einer glücklichen Beziehung auch ziemlich im Weg.

Du bist nicht die einzige Person mit diesem Beziehungsmuster. Denn du bist ja auch nicht die einzige Person, die als Kind so verunsichernde Bindungserfahrungen gemacht hat. Und du kannst etwas tun, um dieses Muster zu überwinden und sicherer zu werden. Ich wünsche dir sehr, dass du mit deiner Therapeutin gut daran arbeiten kannst.

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