Hallo Lilli,
ich und mein Partner haben unseren Kinderwunsch das letzte Jahr vor uns her geschoben weil wir unser Leben erst einmal "sortieren" wollten. Wir haben finanziell investiert und ich habe ein begleitendes Studium abgeschlossen. Nun bekommen um uns herum natürlich alle Babys und planen ihre gemeinsame Zukunft als eine Familie. Ich habe im April meine Pille abgesetzt. Aktuell frage ich mich immer wieder ob es richtig war zu abzuwarten. Mir versetzt es jedes Mal einen Stich wenn ich von einer Schwangerschaft im Bekanntenkreis höre und ich male mir aus wie glücklich das Paar sein muss. Ich mache leider sehr viel an einer Familie fest (Eigenheim, Heirat usw.) und habe wirklich Angst das es bei uns nicht klappen könnte. Mein Partner will zB erst heiraten wenn Kinder da sind und ein Haus kaufen. Er sagt vorher würde sich das nicht lohnen und wir könnten ja auch unverheiratet zusammenleben... Das macht mich natürlich traurig weil ich gerne heiraten würde und ein Eigenheim hätte. Ich glaube ich wäre entspannter wenn ich mir sicher wäre das ich trotzdem heiraten und ein Eigenheim haben könnte - notfalls auch ohne Kind. Das Gespräch hatten wir schon öfter aber ich war meistens sehr emotional und wir haben dann gestritten. Er fühlt sich dann unter Druck gesetzt. Dabei geht es mir ja genauso. Habt ihr einen Rat für mich?
Unsere Antwort
Die Entscheidung, Kinder zu bekommen, ist eine der größten, die man im Leben treffen kann. Es ist also ganz normal, dass da viele Emotionen mit im Spiel sind. Von außen betrachtet, hört es sich für mich sehr sinnvoll an, dass ihr noch ein Jahr gewartet habt. Ihr hattet gute Gründe dafür. Und es ist nur ein Jahr. Das ist mit Blick auf euer ja hoffentlich langes Leben wirklich kurz. Du hast erst im April die Pille abgesetzt. Das ist noch nicht sehr lange. Es ist also sehr gut möglich, dass du bald schwanger wirst. Natürlich kann es aber immer sein, dass es mit einer Schwangerschaft nicht klappt. Das haben wir alle nicht in der Hand. Hast du mit deinem Partner mal darüber gesprochen, was in diesem Fall eure Alternativen wären?
Mir fällt auf, dass du in deiner Fantasie scheinbar viel bei den Schwangeren in deinem Umkreis bist. Sprichst du denn mit diesen Freundinnen offen über deine Gedanken? Fragst du sie, wie es ihnen geht? Denn du malst dir eventuell die Dinge unrealistisch toll aus. Sicher sind viele Paare sehr glücklich über eine Schwangerschaft, aber es ist auch nicht nur einfach. Auch sie haben oft viele Sorgen und Ängste. Vielleicht würde es dir helfen, dich darüber mehr mit ihnen auszutauschen.
Du schreibst: „Ich mache leider sehr viel an einer Familie fest.“ Ist das wirklich so? Von dem, was du schreibst, klingt es eher so als würde dein Partner all diese Dinge an Kindern festmachen. Du sagst ganz klar, dass du dir auch ohne Kind Heirat und Haus wünschen würdest.
Du reflektierst dich schon gut selbst: Du weißt, dass eure Gespräche über dieses Thema bisher nicht gut gelaufen sind. Ihr streitet und ihr fühlt euch dann beide unter Druck. Emotional zu sein, ist nichts Schlimmes. Aber ich vermute, dass dich in diesen Gesprächen deine Angst zu sehr im Griff hatte und du deshalb gar nicht mehr richtig hören konntest, was dein Partner sagt. In solchen Situationen kommt es dann schnell zu Anschuldigungen und Streit. Lies auch mal unseren Text Wie streite ich fair?
Ich empfehle euch, euch einmal wirklich Zeit für ein solches Gespräch zu nehmen. Plant es. Sucht euch einen Tag und eine Zeit aus. Plant mindestens zwei Stunden ein. Wählt möglichst eine Zeit, wo ihr wisst, dass ihr beide relativ entspannt sein könnt. Am Wochenende zum Beispiel. Vielleicht ist es auch gut, während des Gesprächs spazieren zu gehen. Die Bewegung beruhigt unser Nervensystem und kann schwierige Gespräche leichter machen. Überleg dir vor dem Gespräch: Was ist mein Bedürfnis? Was steht hinter dem Wunsch nach einer Hochzeit und einem Haus? Ist das ein Bedürfnis nach Sicherheit, Verbindlichkeit oder etwas ganz anderes? Du kannst auch mal eine sogenannte Bedürfnisliste im Internet suchen. Um vor und während des Gesprächs ruhig zu bleiben, hilft tiefes Atmen.
Für das eigentliche Gespräch rate ich euch, so vorzugehen: Zu Beginn gibt es klare Rollen. Eine Person ist Sprecher*in und die andere ist Zuhörer*in. Als Sprecherin erzählst du erstmal einfach von deinen Gefühlen, Gedanken und Bedürfnissen. Bleib dabei bei dir und vermeide Anschuldigungen. Dein Partner soll hier nur zuhören und immer mal wieder sagen, was er verstanden hat. So könnt ihr überprüfen, ob bei ihm tatsächlich das angekommen ist, was du meintest. Er soll an diesem Punkt keine Lösungsvorschläge machen oder von seinen eigenen Gefühlen erzählen – dafür ist später noch genug Zeit. Wenn du das Gefühl hast, du hast alles Wichtige gesagt und er hat dich gut verstanden, wechselt ihr. Dann bist du die Zuhörerin und hast dieselbe Aufgabe wie zuvor er. Durch diese Methode bekommt ihr wahrscheinlich neue Erkenntnisse darüber, was euch eigentlich unter Druck setzt, was euch Angst macht, und was ihr braucht.
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