Soll ich meine alten Tagebücher behalten?
Bin weiblich (26)
Ich habe mich als Jugendliche (ungefähr 16 -18) zu meiner jüngeren Schwester (13-15) sexuell hingezogen gefühlt. Ich habe nichts gemacht, war aber in meiner Pupertät sehr fertig, weil ich dachte das ich ein böser Mensch wäre der nicht existieren sollte. Hatte Selbstmordgedanken, weil ich mit niemand darüber reden konnte. In dieser Zeit habe ich viel über meine Gefühle in mein Tagebuch geschrieben, auch Jahre danach.
Ich hatte noch nie Geschlechtsverkehr oder eine Beziehung, weil ich dachte ich verdiene das nicht. Ich bin erleichtert das sich meine Neigung im Lauf der Jahre verändert hat und ich mich zu Erwachsenen Frauen hingezogen fühle, die so alt wie ich oder ein paar Jahre jünger sind. Ich denke das ist ein wichtiger Punkt, das sich manchmal die Orientierung und Präferenz ändern kann. Von sich aus.
Die Frage die ich habe ist soll ich meine alten Tagebücher behalten? Die Situation von damals ist nicht mehr. Andere Menschen könnten sie lesen und darüber urteilen. Sie geben mir nicht mehr den Trost, die Zuflucht, sondern sind ein schwerer Schatten der Vergangenheit. Ich weiß nicht wie ich handeln soll.
Unsere Antwort
Du scheinst dich damals stark verurteilt zu haben für deine Gedanken. Vielleicht tust du das auch heute noch. Mir ist wichtig, dich darauf hinzuweisen, dass an deinen sexuellen Fantasien damals nichts „böse“ war. Gerade in der Pubertät sind viele Menschen sehr leicht sexuell erregbar, und viele Reize können sexuelle Erregung auslösen, auch wenn wir das vielleicht gar nicht wollen. Du scheinst zu denken, dass deine Gedanken damals besonders verwerflich waren, weil deine Schwester noch recht jung war. Da möchte ich dir aber zu bedenken geben, dass du nur wenige Jahre älter warst. Auch du warst da noch nicht wirklich erwachsen. Und je älter du wurdest, umso älter wurden auch die Frauen, die dich interessieren. Das klingt für mich nach einer völlig normalen Vorliebe und Entwicklung.
Tagebücher sind in der Regel eine sehr private Angelegenheit. Sie brauchen einen privaten, sicheren Ort, wo niemand sie lesen kann ausser der Person, die sie geschrieben hat. Ich würde dir empfehlen, zunächst so einen Ort zu finden und dass du die Tagebücher erst/nur dann wegwirfst, wenn du das wirklich voll und ganz willst. Dein inneres Hin und Her deutet darauf hin, dass das jetzt eventuell noch nicht der Fall ist. Vielleicht hat es einen Sinn, dass du sie (noch) behältst – auch wenn du den Sinn jetzt vielleicht noch nicht weisst. Jetzt siehst du sie als einen „schweren Schatten“ der Vergangenheit. Verstehe ich richtig, dass das ist, weil du darüber geschrieben hast, dass du dich zu deiner Schwester hingezogen gefühlt hast? Wenn wir dir sagen, dass deine sexuellen Gedanken normal waren, siehst du das dann immer noch als schweren Schatten?
Noch ein Gedanke: Das Behalten und Durchlesen von alten Tagebüchern kann dabei helfen, Mitgefühl für sich zu entwickeln. Das ist zentral für eine gute Beziehung mit sich selbst.
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