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Frage Nr. 38135 von 09.04.2024

Zu Frage 38045: Ihr habt der Threadstellerin ja bereits geantwortet, aber ich möchte gerne nochmal meine Perspektive erläutern, da ich vieles davon kenne - und ehrlich gesagt glaube, dass das, was die Fragestellerin beschreibt, "normal" (auch im statistischen Sinne) ist.

1. Das was sie zum Thema Lust schreibt (einen Moment da, dann wieder weg, entsteht erst während dem Sex) ist etwas, was ich von mir - und auch von vielen anderen Frauen kenne. Das hat meiner Meinung nach auch nur bedingt etwas mit Erfahrung zu tun. Oft reichen auch schon Kleinigkeiten, damit die Lust wieder weg ist, gleiches gilt auch für den Weg zum Orgasmus: meiner Erfahrung nach ist das Ganze bei Männern oft stabiler, während die Lust innerhalb von Sekunden weg sein kann. Das lässt sich sicher nicht verallgemeinern, aber ich habe das schon bei vielen Männern beobachtet. Auch finde ich, dass sie sich hier unnötigen Stress macht. Ich sehe da eigentlich kein Problem.

2. Auch kenne ich es aus eigener Erfahrung, dass sich vieles in Sachen Sex erst einspielen muss. Mein Partner und ich haben beide eher wenig Erfahrung und es gibt nur 1-2 Praktiken, die wirklich "funktionieren" und uns beide befriedigen, ohne dass es anstrengend ist. Aber auch das ist doch nicht schlimm. Man sollte sich da nicht so viel mit anderen vergleichen, denke ich auch.

3. Auch dass die Klitoris irgendwann quasi "überstimuliert" ist, habe ich schon mehr als einmal erlebt. Mir hilft es dann, den ganzen Bereich erstmal komplett außen vor zu lassen und quasi wieder kompletz von vorne zu starten.

4. Das Thema Konsens wird genau in diesem Zusammenhang oft diskutiert. Und nicht wenige Sexpodcasts haben das schon themarisiert. Ich finde es wichtig, sich stets eine eigene Meinung zu bilden - auch beim Thema Feminismus. Es hat niemand die Deutungshoheit darüber, was Feminismus ist und was nicht. Ich finde z.B. NICHT, dass Konsens immer verbal kommuniziert werden muss. Klar gibt es Männer, die sich immer irgendetwas einbilden ("sie wollte das doch"), aber das ist oft eher eine billige Ausrede. Nonverbale Kommunikation steht verbaler Kommunikation in nichts nahe - und ist oft viel klarer als das, was die Person sagt. Beispielsweise kann ich sagen "ja es ist ok, dass du mich küsst". Aus Angst, Scham oder Erwartungsdruck. Aber mein Körper spricht vielleicht eine ganz andere Sprache.
Auch finde ich nicht, dass man immer 100 % Lust auf Sex haben muss, sich nie verführen lassen darf, weil sonst kein Konsens herrscht. Klar sollte man sich nicht zum Sex zwingen dem anderen zuliebe, wenn man das gerade so gar nicht will. Aber ich finde es total legitim, auch mal Sex zu haben, wenn man gerade nicht "mega Lust" hat. Der Appetit kommt oft erst beim Essen. :-)
Nehmen wir mal an, dein Freund will ins Kino gehen. Du hast aber eigtl keine Lust. Er ist aber total begeistert und du sagst "ok, komm ich halt mit". Ihr verbringt zusammen Zeit, dein Freund ist total happy - und du merkst, dass es dir doch ganz gut getan hat, mal rauszukommen. Auch den Film fandest du ganz lustig. Würdest du dann sagen, dass hier keinerlei Konsens bestanden hat? Dass du nicht frei und selbstbestimmt handelst, nur weil du halt mal mit ins Kino gegangen bist, ohne dass das jetzt deine Idee war? Sicher nicht. Aber beim Sex soll dann auf einmal der Grundsatz "if its no hell yes its a no" gelten. Das finde ich ziemlich weltfremd - und ich hätte mit Sicherheit viele schöne Momente und auch echt guten Sex verpasst, wenn ich immer danach gehandelt hätte. Und btw, nur weil du zu Beginn "ja" sagst und dich mal darauf einlässt, heißt das nicht, dass du nicht mitten drin sagen kannst "ne du, irgendwie wird das heute nichts".
...und auch den Partner mal zu befriedigen, selbst wenn einem gerade so gar nicht danach ist, halte ich nichg für verwerflich, sofern das freiwillig passiert und ich mich nicht dazu genötigt fühle. So wie ich meinem Partner eine Massage geben oder ihm sein Lieblingsessen kochen kann. Davon habe ich in erster Linie ja auch nichts von, mache es aber dennoch gerne.

Liebe Grüße

Unsere Antwort

Vielen Dank, dass du deine Gedanken mit uns teilst. Wir hoffen, dass die Fragestellerin deine Antwort liest.

Wir geben dir Recht, dass Konsens nicht immer heißen muss, dass man von Anfang an total viel Lust hat. Manchmal startet man eher mit Bereitschaft, als mit Lust. Und das ist völlig in Ordnung. Wie wir bereits in unserer vorherigen Antwort sagten: Menschen haben oft konkurrierende Bedürfnisse. Auszuloten, wann welches Bedürfnis Priorität hat, ist ein Lernprozess. Und wie wir auch bereits sagten, kann man Sex auch mit einer Einstellung des Forschens und Experimentierens angehen, anstatt mit eindeutiger Lust. Denn wie du richtig sagst, ist die Erfahrung, dass der Appetit beim Essen kommt, sehr verbreitet.

Für diese Bereitschaft und den Lernprozess braucht es Vertrauen. Dafür ist eine offene Kommunikation sehr wichtig. Eine Möglichkeit könnte etwa sein, dass man seine*n Partner*in wissen lässt, dass man Bereitschaft für eine sexuelle Begegnung und Verführung hat – aber noch nicht weiß, ob die Lust tatsächlich kommen wird. Und dann kann man vereinbaren, ganz langsam vorzugehen. So gibt man sich auch wirklich die Chance zu spüren, ob etwas gerade angenehm, neutral, oder zu viel ist, und das dem*der Anderen auch zurückmelden. Manche Menschen nutzen dafür Ampelfarben und sagen rot, gelb, oder grün. Rot heißt dann „Sofort aufhören.“ Gelb heißt „Ich weiß nicht, ob mir das gefällt, aber mach erstmal weiter. Vielleicht etwas langsamer.“ Und Grün heißt „Das ist lustvoll/erregend/angenehm – mach weiter damit!“ Diese Methode kann man nutzen, um zusammen Lust zu erkunden.

Entscheidend dabei ist, dass ein Nein jederzeit möglich ist und nicht zu negativen Folgen führt. Nur dann kann man sich vertrauensvoll auf die Entdeckungsreise einlassen.

 

 

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