Hallo liebes Lilli-Team,
Unser Sohn ist 12, behindert, sitzt im Rollstuhl und kommt jetzt in die Pubertät.
Er ist leider querschnittsgelähmt ubd kann seinen Alltag und alltägliche Dinge nicht mehr allein bewältigen. Ich als seine Mutter helfe ihn täglich beim An- und Ausziehen, beim Waschen, auf Toilette gehen etc. Was sich dabei jetzt allerdings öfters zeigt, ist dass er eine Erektion bekommt und einmal hatte er beim Waschen und Zurückziehen der Vorhaut einen Samenerguss. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll als seine Mutter, soll ich ihn allein lassen im Bad etc wenn er eine Erektion hat und ihn masturbieren lassen? Hab aber über Masturbation mit ihm noch nicht darüber gesprochen, traue mich es nicht anzusprechen, ist mir peinlich. Sex würde sich für ihn komplett schwierig gestalten, da er sich überhaupt nicht bewegen kann. Bekommt jetzt auch zunehmend Schambehaarung, weiß nicht ob ich die ihn dann bei der täglichen Hygiene rasieren soll? Evtl könnt ihr mir ein paar Tipps geben wie ich mit diesen Dingen und der Situation umgehen kann.
Unsere Antwort
Du darfst dich in der neuen Situation unsicher fühlen und es darf dir peinlich sein, über Masturbation und Sexualität zu sprechen. Dein Sohn wird zum Mann und das hat auch einen Einfluss auf die gemeinsame Beziehung. Da du deinen Sohn pflegst, fällt dir diese Veränderung noch näher auf.
Gespräche über Sexualität lassen sich auf ganz verschiedene Arten führen. Hier darfst du deinen eigenen Stil finden, so wie es eben zu dir passt. Es bietet sich häufig an, Gespräche über Sexualität eher in einem ruhigen Moment zu führen, wenn alle angezogen sind, unabhängig von der Körperpflege. Gespräche über Sexualität und Masturbation mit den eigenen Kindern sind sicher für viele Eltern herausfordernd. Dabei möchte man selbst natürlich alles andere als peinlich sein.
Bei einer Querschnittlähmung sind Reflexerektionen häufig, dass heisst, das eine Erektion auf die Berührung am Genitale entsteht also auch bei der Intimpflege regelmässig auftreten kann. Mit der Pubertät treten Erektionen häufiger auf und es kann auch zum Samenerguss kommen.
Möchtest du deinen Sohne fragen, ob er gerne alleine masturbieren würde? Es kann dir und deinem Sohn helfen, dies zu besprechen. So lässt sich am besten eine für beide passende Lösung finden, welche die Möglichkeiten in der aktuellen Situation berücksichtigt.
Natürlich kannst du dich auch vor einem solchen Gespräch beraten lassen. Hast du bisher mit deinem Sohn über Sexualität gesprochen? Weiss er über männliche und weibliche Geschlechtsteile Bescheid und kann diese benennen? Wurde ihm erklärt, wie Kinder entstehen? Auf sexuelle Aufklärung haben auch Menschen mit einer Beeinträchtigung Anrecht. Leider geht dies im vollgepackten Alltag bei Menschen mit Beeinträchtigung auch mal unter und vergessen. Dabei ist es für alle Menschen wichtig über den eigenen Körper, Masturbation und Sexualität Bescheid zu wissen, auch um sich entsprechend schützen zu können. Dies ermöglicht, dass Menschen, wenn ihnen etwas nicht gefällt, sich getrauen dies zu äussern. Es gibt einige gute Bücher, die Du auch zur Unterstützung für die Gespräche verwenden kannst (von den Lilli Buchtipps zum Beispiel "Make Love" von Ann-Marlene Henning).
Du kannst dich auch beraten oder coachen lassen, damit du herausfindest, wie und was du von der Körperpflege deines Sohnes weiterhin übernehmen möchtest. Je nachdem gibt es auch die Möglichkeit von externen Pflegefachpersonen/Spitex. Dies kann auch eine Erleichterung sein. Fachpersonen z.B. bei Beratungsstellen (Sexuelle Gesundheit Schweiz), Sexualpädagoginnen, vertraute Gesundheitsfachpersonen (Ärzte*innen, Psychologen*innen), etc. können auch weiterhelfen, wie Du ein Gespräch über Sexualität mit deinem Sohnn führen kannst. Vielleicht wäre dann auch ein Gespräch zu dritt mit einer Fachperson möglich, falls dies dir und deinem Sohn lieber ist. Oder du entscheidest dich, deine eigene Sicherheit zum Thema Sexualität in Gesprächen mit Fachpersonen oder alleine mit Literatur zu steigern.
Bezüglich der Schambehaarung darfst du deinen Sohn fragen, wie er es am liebsten möchte. Das ist sein persönlicher Entscheid. Er darf sich äussern, ob und wie er im Genitalbereich rasiert werden möchte. Vielleicht wäre auch das ein guter Einstieg ins Gespräch. Da eignet sich der Körper und die Veränderungen in der Pubertät. Über Masturbation kannst du zu einem anderen Zeitpunkt mit deinem Sohn sprechen. Dann habt ihr bereits eine Basis gelegt. Du musst auch nicht alle Fragen und Themen auf einmal besprechen. Die Gesprächseinheiten aufzuteilen, kann dich entlasten und vielleicht gefällt es auch deinem Sohn, wenn die Gespräche kürzer sind und an verschiedenen Tagen stattfinden.
Du darfst deinem Sohn auch sagen, wie es dir geht und dass es dir peinlich ist. Vielleicht geht es ihm ja genau so und das ist okay.
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