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Frage Nr. 38819 von 19.09.2024

Ich habe in letzter Zeit verstärt die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ich habe das Gefühl, demnächst unter Halluzinationen zu leiden. Es fühlt sich sehr beängstigen an, da ich dadurch das Gefühl habe, mein Leben nicht mehr weiter leben zu können, meine Familie und Freunde zu verlieren und meine Ausbildung nicht beenden zu können. Ich habe in letzter Zeit auch vermehrt das Bedürfnis, Dinge zu kontrollieren und Angst etwas unreales wahrzunehmen. Manchmal denke ich mir "ohh nein, ich verliere gleich die Kontrolle" und spüre massive Angst. Ich habe dann Angst mich kommisch zu verhalten oder aufzufallen. Letztens habe ich meine Symptome gegoogelt und ich hatte Angst eine Schizophrenie zu bekommen. Ich hatte danach auch Gedanken, welche zu der Diagnose passen, wie beispielsweise den Gedanken "was ist, wenn die anderen es nicht gut mit mir meinen?". Ich habe Angst und das Gefühl, ich habe bald diese Diagnose obwohl es sich vermutlich eher um eine Angst davor handelt oder um eine Angst vor einem Kontrollverlust. Ich habe Angst mich jemanden anzuvertrauen, da es sich sehr beängstigend anfühlt und ich Angst habe, die andere Person findet mich kommisch. Hättet ihr einen Rat?

Unsere Antwort

Wenn ich es richtig verstanden habe, hast du keine Halluzinationen und du nimmst auch keine Dinge wahr, die andere nicht wahrnehmen. Richtig? Oder hattest du schon mal Halluzinationen? Wenn du tatsächlich Halluzinationen haben solltest, würde ich dir dringend empfehlen, dich an eine*n Psychiater*in zu wenden.

Die Themen Angst, Sicherheit, Kontrolle verlieren oder Kontrolle gar nicht erst haben, sind meist verkoppelt. Angst ist erstmal die körperliche Empfindung, daraus entstehen dann Gedanken und um die Gedanken und das Gefühl wieder loszuwerden, versucht man sich abzusichern oder zu kontrollieren. Das ist halt ein Mechanismus, der bei Menschen schnell anspringt. In der Regel bringt das aber nichts. Es sei denn es handelt sich um eine tatsächliche ursprüngliche Gefahr, wie die, dass man von einem wilden Tier angegriffen wird zum Beispiel.

Jeder Mensch hat jeden Tag unzählige Gedanken und darunter können auch immer mal wieder Gedanken sein, die einem selber merkwürdig vorkommen. Das ist normal und das macht nichts. Stell dir die Gedanken wie einen Fluss vor. Sagen wir jeder Gedanke ist ein Tropfen Wasser in dem Fluss. Wenn du die Gedanken einfach weiterfliessen lässt, passiert gar nichts. So schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch schon wiederweitergeschwommen und aus deinem Blickfeld verschwunden. Wenn du jetzt aber bestimmte Gedanken aussortieren willst, weil du die nicht willst, ist es ein wenig so, als würdest du eine Barriere in den Fluss bauen. Es gibt einen Stau und Turbulenzen. Der Gedanke, den du nicht willst, hängt vor der Barriere fest und kann nicht weiterziehen. Statt dass er einfach weiterzieht, schaust du jetzt auch noch ständig darauf. Andere Gedanken, die dir vielleicht besser gefallen, ziehen vielleicht in dem Anteil, der nicht gestaut ist, so schnell vorbei, dass du sie nur noch kurz wahrnehmen kannst. Alles gerät aus dem Gleichgewicht und du bist nur noch damit beschäftigt, dass die Barriere hält und der Fluss gleichzeitig nicht über die Ufer tritt (verrückt wirst). Das ganze ist mega anstrengend und erschöpfend und irgendwie kommt man mit der Arbeit daran gar nicht mehr nach.

Der Satz : Was ist ,wenn die anderen es nicht gut mit mir meinen? wurde von jedem schon mal gedacht, das kann ich dir garantieren. Und situativ kann er auch sehr sinnvoll sein. Stell dir vor, du bist in einer Grossstadt in der vollen U-Bahn unterwegs. Jemand kommt dir verdächtig vor, wie er sich so durchschlängelt. Wenn du dann den Satz denkst: Was ist, wenn der andere es nicht gut mit mir meint? kann das sehr sinnvoll sein, denn du wirst zum Beispiel schauen, ob deine Tasche gut verschlossen ist. Es wäre also nicht gerade vorteilhaft, den Satz ganz für immer aus deinen Gedanken zu streichen. Das Problem sind nicht die Gedanken, sondern welche Macht man ihnen zuschreibt oder wie man sich an ihnen festkrallt oder sie versucht daran zu hindern "durch das Gehirn zu ziehen".

Es gibt sehr viele Gedanken, die zig fach von Menschen gedacht werden und es passiert gar nichts. Zum Beispiel, wenn man auf einer Klippe steht, kann man denken, was wäre wenn ich fallen würde, was wäre, wenn mich jemand schubst, was wäre. wenn ich jemanden schubse. Manchmal sind diese Gedanken, so schnell wieder vorbei, dass man sie kaum mitkriegt. Oder man denkt danach, was denke ich denn da komisches und lässt es damit gut sein. Es kann aber auch sein, dass man sich dann total da reinsteigert, weil man annimmt, man wäre nicht normal. Doch, all diese Gedanken sind normal. Man sollte sie einfach weiterziehen lassen.

Denke jetzt mal: ich hebe jetzt meinen Arm. Hast du deshalb den Arm gehoben? Wahrscheinlich nicht. In anderen Momenten, wenn dieser Gedanke sinnvoll ist, ist er aber wichtig.

Was du dir auch noch klar machen solltest: du bist nicht deine Gedanken! Du kannst denken: "ich bin arm" und du kannst direkt danach denken "ich bin reich". Was bist du dann? Der Gedanke alleine macht gar nichts. Du schreibst ihm irgendeine Bedeutung zu oder  du identifizierst dich mit ihm. 

Vielleicht hast du ja Lust mal mit dem Fluss deiner Gedanken ein wenig zu experimentieren und zu schauen was passiert.

Wenn du weitere Fragen hast oder etwas nicht verstehst, dann melde dich doch bitte noch einmal unter Angabe dieser Fragennummer.

 

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