Hallo liebes Lilli-Team,
ich hatte euch vor einiger Zeit eine Frage gestellt. Da ging es darum, dass mein Partner sich Kinder wünscht, ich aber nicht. Ihr hattet, so meine ich, geantwortet, dass es gut wäre, wenn wir eine Paartherapie oder Beratung in Anspruch nehmen. Leider habe ich die Antwort nicht mehr gefunden. Ich möchte gern noch weiterführend Dinge dazu fragen.
Die Situation ist folgende: Wir (ich 30, er 42) befinden uns in einer Fernbeziehung, [...]Nun ist es so, dass er in diesem Jahr schon mehrmals das Thema Kinderwunsch zur Sprache gebracht hat. Er kann es sich vorstellen, sagt, dass er ein guter Vater wäre und dass ihm ein Kind Sinn im Leben geben würde. Ich hingegen habe keinen Kinderwunsch, ich habe bisher nicht das Bedürfnis danach gehabt, starke Abneigung gegen Schwangerschaft usw. Außerdem bin ich autistisch und habe eine komplexe Traumatisierung, ich bekomme meinen Alltag inzwischen ganz gut hin, kann mich aber nicht immer so gut um mich selbst kümmern – wie soll ich mich dann um ein Kind kümmern und das 24/7? Ich brauche aufgrund meiner Reizempfindlichkeit außerdem viel Zeit allein, um mich zu regenieren. Meine Geschwister haben mehrere Kinder, mit denen ich viel Zeit verbracht habe, ich habe oft auf sie aufgepasst, sie gewickelt, ins Bett gebracht usw. Das ist schön, aber ich war auch immer froh, dass es nicht komplett meine Verantwortung war und dass ich mich danach auch ausruhen konnte. Natürlich kann sich das Bedürfnis auch mal ändern, das sehe ich allerdings im Moment nicht und halte es für unwahrscheinlich. Daher kann und will ich meinem Freund keine Versprechungen machen.
Dazu kommt ja auch, dass auch unklar ist, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten können. Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, auszuwandern und zu ihm zu ziehen – das ist aber noch sehr abstrakt und das wäre ein großer Schritt, der sehr viel Kraft kostet und Stress verursacht. Diese Frage ist also auch noch ungeklärt. Eine Paarberatung ist daher schwierig hinzukriegen, wenn wir uns nicht oft sehen und wenig Alltag zusammen haben. Außerdem müssten wir jemanden finden, der das mit uns auf Englisch macht.
Ich habe nicht wirklich eine Vorstellung von der Zukunft, das fällt mir schwer. Ich möchte vor allem besser mit der Welt zurechtkommen, meine Identität erforschen und beginnen, das Leben zu genießen, was ich früher aufgrund von Traumata usw. nicht konnte. Mein Freund hingegen hat den Kinderwunsch schon lange. Er ist ja auch älter – ich habe das Gefühl, wir haben unterschiedliche Bedürfnisse. Er sagt, er wäre ein guter Vater – aber er ist auch autistisch und traumatisiert wie ich, möchte aber keine Psychotherapie machen, um seine Themen zu bearbeiten, was ich ihm schon ein paar Mal vorgeschlagen habe. Er hat auch kaum Erfahrung mit Kindern – seine Nichten und Neffen hat er nicht so eng begleitet. Er ist aber sehr kinderaffin.
Nun hat er das Thema Kinderwunsch wieder angesprochen. Es beschäftigt ihn, das merke ich. [...] schlug ich vor, dass wir darüber sprechen und uns Zeit nehmen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.
Ich weiß aber nicht, wie das alles aussehen kann. Er setzt mich nicht direkt unter Druck, aber er redet oft davon und will das inzwischen unbedingt und das macht mir irgendwie Druck. Ich will mich nicht unter Druck setzen oder überzeugen lassen. Ich habe kein Bedürfnis nach Kindern im Moment. Er sagte zwar, er würde mich nicht unter Druck setzen, aber trotzdem fühlt es sich so an, als setze er mir die Pistole auf die Brust. Sein Vorschlag war auch mal, dass er mit einer anderen Person ein Kind hat und quasi Co-Parent ist, wir aber in einer Beziehung sind. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Das Kind wäre dann ja trotzdem immer irgendwie präsent und regelmäßig bei uns, sollten wir zusammenleben, und ich weiß nicht, ob ich mich damit wohlfühlen würde. Die Alternative wäre wohl, dass wir uns trennen müssen aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse. Das macht mich sehr traurig. Ich fühle mich wohl mit ihm. Ich will aber nur Dinge tun, hinter den ich 100% stehe, und hinter dem Kinderkriegen stehe ich nicht zu 100%.
Was kann ich tun? Wie können wir das Gespräch gestalten? Wir sehen uns vermutlich Ende Oktober, und es belastet mich jetzt schon.
Unsere Antwort
Hier zum Anfang die Antwort auf deine ursprüngliche Frage:
"Es freut mich, dass du mit deiner Beziehung glücklich bist. Innerhalb einer Partnerschaft ist es nicht möglich, einen Kompromiss zwischen "Kinder haben" und "keine Kinder haben" zu finden. Du beschreibst, dass es momentan so ist, dass du es dir nicht vorstellen kannst, ein Kind zu bekommen. Da du 29 Jahre alt bist, hast du rein biologisch noch ein paar Jahre Zeit. Dein Leben könnte sich immer noch so entwickeln, dass du doch an den Punkt gelangst, dass du ein Kind möchtest. Dabei ist jedoch wichtig, dass es dein Wunsch wird und du es nicht tust, nur weil das Vielleicht eines Partners zu einem Ja für Kinder wird.
Ich finde, es ist zentral, dass du das in der Therapie zum Thema machst und vertieft angehst. Ich glaube, das brauchst du, um einen Entscheid fällen zu können. Ich fände es zudem sehr sinnvoll, wenn dein Partner auch in Therapiesitzungen kommt, und wenn ihr das als Paar besprechen könnt. Bitte sprich auch das mit deiner Therapeutin an."
Was ich aus deinem zweiten Text heraus lese, ist ein erneutes sehr deutliches Nein zu eigenen Kindern. Solange du nicht 100% hinter dem Kinderwunsch stehst, bleibt es ein nein. Du hast selbst gesagt, dass es unwahrscheinlich ist, dass du deine Meinung änderst.
Ich denke es ist ganz wichtig, dass du deinem Partner die beschriebenen Überlegungen mitteilst. Du konntest deine Beweggründe ja bereits sehr nachvollziehbar an uns formulieren. Vielleicht kannst du einen Brief für deinen Partner verfassen. Diesen könntest du ihm in deiner Anwesenheit geben oder vorlesen. Oder du könntest ihn im vor dem nächsten Gespräch geben. So hat er ebenfalls Zeit, sich vorab Gedanken zu machen. Oder ihr organisiert eine gemeinsame Beratungsstunde, wo ihr den Brief besprechen könnt. Es gibt einige Therapeut*innen und Berater*innen, welche englisch sprechen und auch Online-Sitzungen machen, was Menschen in Fernbeziehungen sehr entgegen kommt. Es lohnt sich, da auch mal zwischen euren beiden Wohnorten zu recherchieren. Eine neutrale Person kann ebenfalls helfen, das Gespräch zu moderieren, so dass beide die Chance haben, sich möglichst klar zu formulieren.
Wenn du den Gesprächen ausweichst und nicht klar formulierst, dass du dich in nächster Zukunft nicht umentscheiden möchtest, nimmst du deinem Partner die Möglichkeit, klar Stellung zur Situation zu nehmen. Es ist wichtig, dass du ihm nach dem Gespräch genügend Zeit gibst, um sich Gedanken zu machen, ob er einen Kinderwunsch hat oder sich mit dir ein kinderfreies Leben vorstellen kann. Das ist seine Entscheidung. Je besser du zeigst, wie es für dich ist, desto besser kann er für sich entscheiden, was er möchte.
Ich kann verstehen, wenn dich das traurig macht. Der Druck kommt vermutlich daher, dass dir dein Partner sehr wichtig ist und du möchtest, dass er glücklich ist. Vermutlich möchte er genau so fest wie du, dass du selbst auch glücklich bist.
Ich hoffe ihr findet einen gemeinsamen Weg, um das alles zu klären.
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