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Ja, es stimmt schon, dass ich noch nicht richtig im Leben angekommen bin. Ich hatte schon viele verschiedene Arbeitgeber, meistens befristet. Bei einem Catering-Betrieb als Aushilfe, das war mir aber zu stressig. Zivildienst-Einsätze und mehrere Praktika. Dazwischen auch mal Minijobs, zB. als Prüfungsaufsicht und solche Dinge, aber halt noch nie eine "richtige" unbefristete Arbeitsstelle. Ich habe versucht, ein Studium abzuschliessen, aber mit dem ganzen Leistungsdruck und den Leuten an der Uni bin ich nie richtig zurecht gekommen und bei den Prüfungen bin ich grandios gescheitert. Vor allem bei den mündlichen Prüfungen war es ziemlich schlimm und ich habe kaum was gesagt. Dann ist klar, dass es dann halt eine ungenügende Note gibt. Wenn ich nervös bin, fange ich manchmal auch einfach an, zu stottern und mir passieren leider viele Versprecher, ähnlich wie bei Joe Biden. Gespräche mit anderen sind sowieso nicht so meine Stärke. Deshalb weiss ich auch nicht, für was ich mich genau bewerben soll. Viele Jobs haben einfach zu hohe Anforderungen für mich.
Ich lebe noch bei meiner Mutter und manchmal bezahlt sie auch meine Rechnungen. Meinen Vater habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich weiss auch nicht sehr viel über ihn und wenn ich ihm schreibe, kommt von ihm keine richtige Antwort. Die Wohnsituation bei mir ist eher schwierig und es gibt auch immer wieder Stress, ich bleibe oft einfach in meinem Zimmer bei meinem Kuscheltier. Da fühle ich mich sicher.
Es ist einfach schwierig, wenn ich irgendwo neue junge Männer kennenlerne und mit ihnen spreche, habe ich rasch Vorurteile über sie. Also wenn jemand eine Freundin hat, denke ich sofort "Oh nein, nicht schon wieder jemand, der ständig mit seiner Freundin zusammen ist, der hat sowieso keine Zeit am Wochenende". Oder bei Studenten denke ich "Oh nein, die reden die ganze Zeit nur über irgendwelche Prüfungen und machen vlt. noch unpassende Bemerkungen zu meinen eigenen ungenügenden Noten". Oft bewahrheiten sich diese "Vorurteile" sogar. Ich hätte halt gerne jemand, der zu mir sagt: "Bro, es ist doch okay, wenn du ein Kuscheltier brauchst, ich muss auch recht oft weinen. Du musst es ja nicht gleich der ganzen Uni erzählen. Es genügt, wenn du es einfach mir sagst. Wenn jemand von uns traurig ist, dann gehen wir zusammen Pommes essen." so ungefähr wäre jedenfalls meine Idealvorstellung, im Moment habe ich jedenfalls keine einzige männliche Bezugsperson. Niemand, der mich wirklich versteht.
Unsere Antwort
Jemand, der Voltaire liest und gleichzeitig schreibt, dass viele Jobs zu hohe Anforderungen haben – ja da stimmt was gehörig nicht mit dem Selbstwertgefühl. Du tönst Familienverhältnisse an, von denen ich mir vorstelle, dass du da nur die Spitze des Eisbergs beschreibst. Wenn du dich in dein Zimmer zu deinem Kuscheltier zurückziehen musst als 26-jähriger Mann, dann sagt mir das etwas über den Jungen, den du mal warst. Der hat von seinen Eltern keine Sicherheit und kein Gefühl von Geborgenheit bekommen. Ich bitte dir, diesen Text über mögliche Folgen einer schwierigen Kindheit zu lesen. Ich fände es überhaupt keinen Luxus, wenn du eine Psychotherapie machen würdest – am besten bei einem Mann.
Ein Psychotherapeut könnte dir auch helfen, aus diesem "noch nicht im Leben angekommen"-Zustand herauszufinden. Das ist aus meiner Sicht unglaublich wichtig: Du brauchst eine Aufgabe, einen Sinn im Leben. Du brauchst etwas, das dir ein Gefühl von Selbstwirksamkeit gibt. Auch ein Coaching könnte da helfen.
Und schliesslich wäre ein Psychotherapeut auch eine männliche Bezugsperson. Möglich wäre da auch ein Coach.
Und nochwas zu Männerfreundschaften: Möglicherweise entspricht der eine oder andere Mann (aus deinem Bekanntenkreis oder deiner Verwandtschaft) nicht deinen Vorurteilen. Wenn du grundsätzlich findest, dass ein Mann eher okay ist, erzähl ihm ein bisschen von dir und schau, wie er reagiert und ob dir das ein gutes Gefühl gibt. Wenn ja, kannst du dich noch etwas mehr öffnen. Du wirst wahrscheinlich auch die Erfahrung machen, dass Männer es durchausschätzen, wenn du dich ihnen gegenüber ein bisschen öffnest. Dann bekommen sie nämlich selbst auch mehr Mut, dir Sachen von sich zu erzählen. Und du erfährst, dass sie sich vielleicht gar nicht so cool und stark fühlen.
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