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Frage Nr. 38335 von 31.05.2024

Liebes Lilli Team,
ich bin M30 und seit einem Jahr in einer Beziehung. Meine Freundin kommt ursprünglich aus einem slawischen Nicht-EU Land. Wir haben uns damals über das Internet kennengelernt. Sie hatte damals die Chance, als sie noch in ihrem Land war, dass sie ein Stipendium im deutschen Bundestag erhält. Als sie dann in Deutschland war, haben wir uns sehr oft getroffen und sind nach ein paar Monaten in eine Beziehung gekommen. Jetzt ist der Stand so, dass ihr Aufenthaltstitel zum August abläuft. Seit längerer Zeit gebe ich alles, sie zu unterstützen, dass dieser verlängert wird. Sie hat endlich einen Job gefunden. Jetzt hatte sie gestern einen Termin bei der Ausländerbehörde. Der Mann hatte ihr gesagt, dass sie bei der Agentur für Arbeit auf eine Verlängerung abgelehnt werden würde, da sie nicht den Mindestlohn verdienen würde, um hier ihren Aufenthaltstitel zu verlängern. Er hatte ihr mitgeteilt, dass sie 1. mit ihrem Arbeitgeber sprechen kann um eine Anpassung ihres Lohnes. Es wäre eine weitere Option, dass sie ein Visum für ein Jahr bekommen kann. Ich habe ihr gesagt, dass sie alles dafür tun soll und ihr eine Liste von guten Argumenten geschickt. Jedenfalls sagte sie, dass sie müde von der deutschen Bürokratie sei. Sie hat meine Liebe zu ihr in Frage gestellt und gesagt, dass ich sie nicht liebe, weil ich sie nicht heiraten würde, um ihren Titel zu verlängern. Wir hatten wegen diesem Thema schon mal vor 2 Monaten ein riesen Theater. Ich habe wirklich viel versucht, ihr bei Bewerbungen geholfen, Ratschläge gegeben. Ich zerbreche mir immer den Kopf. Jedenfalls stellt sie jetzt alles in Frage. Das ich auch nicht von gemeinsamer Zukunft sprechen soll, wenn ich sie nicht heiraten würde. Meine Schwester spricht von emotionaler Erpressung. Ich weiß für mich, dass ich noch nicht bereit bin zu heiraten. Für sie sind das aber nur papiere. Auf der anderen Seite will ich sie absolut nicht verlieren. Es besteht noch Hoffnung und selbst der Mann von der Ausländerbehörde hatte gesagt, dass 2 Monate noch viel Zeit seien.
Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich habe sehr große Verlustängste. Ich will sie nicht verlieren. Aber meine Schwester meinte auch, dass ich in der Familie ein wenig den Respekt verliere, wenn ich jetzt einfach so jemanden heirate. Ich weiß nicht mehr weiter. Es würden wahrscheinlich viele Details für eine genaue Einschätzung ihrerseits fehlen. Aber ich habe so viel in die Beziehung investiert. Und von ihr kriege ich zu hören „Ja danke für deine 10 Emails und einen Lebenslauf den du geschrieben hast“. Hat sie vielleicht recht und ich liege falsch, weil ich als ihr „Mann“ nicht so etwas sage wie „Ich will dich nicht verlieren, wir sollten heiraten, damit du deinen Titel verlängern kannst“.
Ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen. Ich bin echt am durchdrehen…

Unsere Antwort

Du steckst in einem Dilemma, dass sich nur lösen lässt, wenn eine Seite nachgibt. Deine Freundin sieht einerseits in der Heirat nur Papiere, andererseits wäre sie für sie aber auch ein Liebesbeweis. Dann könnte sie darauf vertrauen, dass du es mit einer gemeinsamen Zukunft ernst meinst. Du unterstützt deine Freundin bei der Argumentation für die Anpassung ihres Lohns und vor der Ausländerbehörde. Du bestehst darauf, für eine Ehe noch nicht bereit zu sein und akzeptierst keinen ‚äusseren‘ Grund für eine Heirat. Gleichzeitig möchtest du sie auf keinen Fall verlieren. Jetzt leistet ihr euch mit den jeweils eigenen Werten einen Machtkampf. Du möchtest, dass sie sich um ihre Aufenthaltsbewilligung selbst kümmert - und dir den Respekt deiner Familie sichert. Sie verbindet mit der Aufenthaltsbewilligung einen Liebesbeweis. Jetzt beginnt beide Ihr aufzurechnen, wer mehr in die Beziehung investiert. Du findest, du hast viel für die Beziehung getan. Sie findet ‚deine 10 Emails‘ wenig. Beide beginnt Ihr, Eure Beziehung abzuwerten. Du heiratest nicht aus bürokratischen Gründen. Sie liest darin, dass du sie nicht liebst und meint wohl, dass ihr Engagement für Eure Beziehung viel grösser ist als deines. Wenn niemand nachgibt, wird der Streit Kränkungen bei Euch beiden hinterlassen und wird dann vielleicht der Grund für Eure Trennung. Allerdings könnten bei einer Heirat die Streitargumente auch als ‚Munition‘ für spätere Streits gesammelt werden. Darum raten wir Euch zu einer lösungsorientierten ‚Streitkultur‘ . In unserem Infotexten «Wie bleibe ich fair?» und «Wie kann ich Streit vermeiden?» geben wir dazu Hinweise.

Wir geben dir nicht den Rat, dass du ‚als Mann‘ nachgeben (und heiraten) sollst. Wir schlagen dir vor, für dich selbst und mit deiner Freundin zusammen zu klären, wie Ihr bei unterschiedlichen Werten und Meinungen vorgeht. In solchen Gespräche könntet ihr Gemeinsamkeiten entdecken und ein eigenes Wertesystem entwickeln. Dadurch könnte Euer Zugehörigkeitsgefühl und Eure Zuneigung füreinander wachsen. Du erlebst nämlich etwas, was recht häufig ist. In deiner Ursprungsfamilie hast du Werte gelernt. Jetzt entscheidest du dich für deine eigene Familiengründung. Und schon schaltet sich die Familie ein: ‚Heirate nicht einfach so jemanden. Du verlierst sonst unseren Respekt!’ Sogar von emotionaler Erpressung ist die Rede. Die Familie erinnert dich an die gemeinsamen Werte.

Du kannst aus deiner Situation lernen, dass eine eigene Familie auch Eigenständigkeit heisst. Darum ist es wohl richtig, wenn du dich für diese Eigenständigkeit noch nicht ganz bereit fühlst. Such doch auch deiner Familie gegenüber Argumente. z.B. ‚Bei mir heisst das, was Ihr emotionale Erpressung nennt, Liebe‘ oder ‚Respekt bedeutet für mich, wenn meine Entscheidungen von Euch akzeptiert werden.‘ Schau mal, was dir alles so einfällt, wenn du dich fragst, wie du leben willst.

Lass dich nicht durchdrehen. Wir möchten dich ermuntern, dich um deine Selbstsicherheit und Eigenständigkeit zu kümmern. Dann kannst du deine Meinung vertreten ohne hart und streitbar oder so weich zu werden, dass du verzweifelst. 

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