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Frage Nr. 39444 von 24.02.2025

Hallo liebes Lilli Team
Ich Weiblich 20 Jahre bin seit fast zwei Jahren in einer Beziehung.
Zuvor war ich mit 16 Jahren in einer sehr toxischen Beziehung, in der mir vieles verboten wurde etc.
Nun bin ich in einer sehr gesunden Beziehung und ich habe grosse Schwierigkeiten mich als "gut genug" zu empfinden, für mich selbst und meinen Freund (er gibt mir nie das Gefühl ich sei es nicht).
Ich warte ständig darauf, dass es streit gibt oder er mich eventuell verlassen könnte, sozusagen warte ich auf das Chaos, welches ich mir so gewohnt war. Ich möchte dies logischerweise auf keinen Fall. Aber dieses Gefühl lässt mich einfach nicht los, in letzter Zeit ist es wieder schlimmer geworden, ich sage Sachen die unnötig oder verletzend sind. Ich meine sie nie so wie sie rauskommen. Ich versuche ständig diese Gedanken wegzudrücken, es funktioniert jedoch einfach nicht. Ich weiss mein Gehirn hat nicht recht mit den Gedanken. Ich kann sie jedoch nicht ignorieren.
Zudem habe ich bereits vor einem Jahr genau schonmal zu dieser Thematik 147 geschrieben, welche nie antworteten. Daher überlege ich mir zurzeit, ob es am Datum (Trauma) oder sonstigem liegt, dass es wieder schlimmer geworden ist. Ich habe keine kraft mehr für diese Gedanken und diese Sorgen...
Zusätzlich distanziere ich mich von Ihm und seiner Familie, denn wenn ich mit Ihm bin, ist es schlimmer, als wenn ich mit Freundinnen bin. Ich kann diese Gedanken nicht beschreiben aber sie nehmen momentan sehr grossen Einfluss auf mein Verhalten.
Was kann ich tun?

Unsere Antwort

Du hast schon viel von deinem Verhalten verstanden. Es ist tatsächlich nicht einfach, eine gute Beziehung zu leben, wenn man sich selbst nicht als ‚gut genug’ erlebt. In dem gewohnten Chaos würdest du dich auskennen, ebenso mit den Folgen von ‚unnötigen‘ Verletzungen.

Dir ist auch aufgefallen, dass deine Abwehr stärker wird, je näher ein Jahrestag kommt, der deine Erinnerungen an traumatisierende Erfahrungen intensiviert. Dein Gefühl der Wertlosigkeit scheint sich dann in den Vordergrund zu drängen. Auch merkst du, dass du dich vom ‚Guten‘, also von deinem neuen Freund und seiner Familie distanzieren musst. Freundinnen sind erträglicher. Was du da erlebst, sind die Folgen deiner früheren Beziehungserfahrungen. Du lernt gerade, dass man auch das ‚Gute‘ lernen muss. Deine Einsicht und deine sehr gute Wahrnehmung allein reichen für die nötigen Veränderungen nicht aus.

Was kannst du tun:

  • Korrigiere deine Gedanken auf freundliche Art und Weise, wenn sie dich wieder in einen Streit treiben wollen. Zeige ihnen gegenüber Verständnis. Sie wollen das herstellen, was sie kennen. Wenn du sie wegdrücken willst, aktivierst du ihren Gegendruck.
  • Verhandele mit ihnen. Worauf können sich deine Streit-Gedanken einlassen? Du denkst sie, sprichst sie aber nicht aus? Du hörst ihnen zu und gibst ihnen recht? Du erklärst ihnen (und dir selbst), dass die Gedanken früher absolut richtig waren. Gib ihnen einen Platz in deiner Vergangenheit. Heute passen sie einfach nicht mehr gut. Das können deine Gedanken erkennen, wenn du sie denken darfst.
  • Du wirst merken, dass die streitbare und verletzte Spannung in deinem Körper damit nicht verschwindet. Dein Körper mit seinen Gefühlen braucht auch deine Unterstützung. Wo darf er seine Spannung ausdrücken, ohne dass du dich hinterher beschämt fühlst.
  • Und dann könntest du auch noch das Unterscheiden üben. Was unterscheidet das Verhalten deines jetzigen Freundes von deiner vergangenen Erfahrungen? Welches Verhalten und welche Gedanken möchtest du zu deiner aktuellen Beziehung beitragen?

Wenn du dir das alles allein nicht zutraust, raten wir dir zu einer Psychotherapie. Wichtig ist uns, dass du verstehst: Dein Kampf gegen dich und deine früheren Erfahrungen hilft nicht weiter. Du bist eine beziehungsfähige junge Frau. Dein Werkzeuge aus der alten Beziehung nützen allerdings nicht mehr viel. Darum lernst du jetzt das Handwerk für deine neue Beziehung.

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