Hallo liebes Lilli-Team.
Danke für Eure Arbeit.
Meine jetztige Freundin(W37) ist die erste Freundin, die ich(M27)je hatte und auch die erste, mit der ich Sex hatte.
Ich liebe sie über alles, wir haben eine sehr zärtliche, von Nähe geprägte Beziehung und wir reden über eigentlich alles offen und ehrlich.
Das Problem:
Sie nimmt seit einigen Jahren SSRI-Antidepressivia und weitere Medikamente, die ihre Empfindsamkeit reduzieren, sodass der Sex für sie keine wirkliche Bereicherung darstellt. Ich habe öfters eher das Gefühl, dass wir Sex haben, damit ich befriedigt werde. Ich habe halt noch das Verlangen nach viel und aufregendem Sex - mit IHR, wohlgemerkt.
Wir sprachen über das, was los ist und sie sagte mir, dass ihr der Sex früher viel mehr Spaß gemacht hat, vor allem, wo sie noch Bauchtanz gemacht hat und sie, laut ihrer Aussage, deshalb auch viel mehr gespürt hat.
Sie versichert mir stets, dass es nicht mit mir, meiner Anatomie, der Technik, meiner Hingabe und Zuwendung zu tun hat.
Sie verspricht mir deshalb nun seit mittlerweile 6 Monaten, dass sie an ihrem Beckenboden arbeiten wolle (beim Trampolinspringen hat sie Inkontinenzprobleme), woraufhin ich uns die Bücher von der Frau Schiftan (lG, ich finde die Bücher super) gekauft und nachdem ich sie gelesen, ihr hingelegt habe.
Leider passiert nichts und ich weiß, dass man einen Menschen nicht ändern oder zu etwas zwingen kann.
Aber irgendwie ist es doch enttäuschend und auch verletztend (ich bin sehr sensibel), weil ich mir dann denke, dass es ihr doch nicht so wichtig ist.
Dazu kommt für mich das Problem, dass sie mir mittlerweile von 16 Männern erzählt hat, mit denen sie Sex hatte, während sie noch "fit" und gesund war und ihr der Sex mehr gab, obwohl sie immer wieder betont, dass das alles keine Bedeutung hat im Vergleich zu der Liebe, die sie mir mich empfindet, was ich ihr auch glaube.
Nur jedes Mal, wenn sie eine Geschichte aus ihrer Vergangenheit erzählt, frage ich mich, ob jeder darin vorkommende Mann auch mit ihr Sex hatte und in den Genuss kam, der mir sozusagen verwehrt bleibt.
Jetzt habe ich die Idee, dass sie mir einmal von allen Männern kurz erzählt,mit denen sie was hatte, damit mich dieser Zweifel und die Eifersucht in Ruhe lassen, wenn sie mal wieder was aus ihrem eigentlich spannenden Leben erzählt.
Was ich aber eigentlich glaube ist, dass, wenn wir ähnlich guten Sex hätten, mich das nicht stören würde, was früher gewesen ist.
Aber auch hier, so glaube ich, ist sie am Zug und ich würde sie gerne dabei unterstützen, weil sie mir menschlich so ungemein wichtig ist.
Sie hat mir auchmal gesagt, dass ich mich ruhig mit anderen Frauen ausprobieren soll.
Das will icheigentlich nicht, zum einen, weil ich weiß, dass es sie doch verletzten würde und zum anderen will ich nur schönen Sex mit ihr, weil wir es sind, die diese emotionale Verbindung haben, und da irwelche ONS oder Affären dem nicht nahekämen.
Und gleichzeitig merke ich, dass meine Sehnsüchte nach schönem Sex immer wieder dazu führen, dass ich mir dann doch Sex mit anderen vorstelle, weil mein Kopf weiß, dass das mit meiner Freundin nicht klappt und dementsprechend die Fantasien nicht funktionieren.
Was kann ich tun? Wie kann ich einen Umgang mit dieser Sache finden?
Was könnte ich meiner Freindin mit aufn Weg geben?
Mich quält das oben Beschriebene schon sehr lange und gleichzeitig mache ich mir Vorwürfe, dass ich scheinbar so "sexfixiert" bin, was aber eigentlich nicht stimmt, weil das Schönste für mich eigentlich das Kopf-an-Kopf-Liegen auf der Couch ist.
Vielen Dank für das,was Ihr tut, allein die Möglichkeit, seinen Schmerz mal von der Seele zu schreiben, tut gut.
Ich hoffe nur, die Ausführen sind nicht zu lang
Unsere Antwort
Es ist ok, dass du gern viel und aufregenden Sex haben möchtest. Du bist deshalb nicht «sexfixiert». Du kümmerst dich ganz einfach um etwas, das dir wichtig sind. Die spannende Frage ist, wie du das am besten machen kannst. Denn wenn es um Lebensbereiche geht, die beide Partner betreffen und die den Einsatz von beiden brauchen, ist es oft gar nicht so einfach, rauszufinden, wer was kann, soll oder sogar muss. Oder eben auch nicht.
Paarsex ist ein gutes Beispiel für einen Lebensbereich, für den es beide braucht. Es geht um die Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten von beiden. Weil man bei diesen Dingen oft unterschiedlich denkt und unterwegs ist, ist es manchmal ganz schön knifflig, sich einig zu werden.
Im Moment scheint es eine ziemlich lange Liste von Dingen zu geben, die deine Freundin deiner Ansicht nach tun müsste, damit euer Sexleben gut ist. Gleichzeitig scheint in ihrem Leben viel los zu sein. Da kann so eine Liste ziemlich einschüchternd oder sogar belastend sein.
Du schreibst, dass du weisst, dass man Menschen nicht ändern kann und Grenzen respektieren soll. Etwas zu wissen und es dann auch zu leben, sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe. Es ist menschlich, dass du enttäuscht bist, wenn deine Wünsche nicht erfüllt werden. Es ist aber ganz wichtig, dass jeder Mensch selbst für sein Leben verantwortlich ist und auch bleiben darf. Weil wenn aus Wünschen, Ansprüche und Forderungen werden, dann ist das heikel.
Ich habe einen Vorschlag: Mach eine Liste mit allen Dingen, die es aktuell anzupacken gäbe. Frag dich dann, wer jeweils für diese Dinge zuständig ist. Was liegt in deiner Verantwortung? Was liegt in der Verantwortung deiner Freundin? Was liegt gemeinsam in eurer geteilten Verantwortung? Vermutlich wirst du einige Dinge finden, die zwar stark euch beide betreffen, die aber in der Verantwortung deiner Freundin liegen. Beispielsweise, wenn es um den Körper deiner Freundin geht. Solche Themen sind in einer Beziehung oft ziemlich Knacknüsse. Denn nur weil man von etwas stark betroffen ist, heisst es nicht, dass man auch Kontrolle darüber hat oder die Kontrolle darüber übernehmen darf.
Es ist gut, dass du dich über die Themen deiner Freundin informiert hast. Ich bin sicher, dass es dir dabei nicht nur um dein Glück ging, sondern ganz stark auch um ihres. Jetzt ist es wichtig, dass die Entscheidung, was sie mit deinen Ideen und Vorschlägen macht, trotz allem bei ihr bleibt.
Es ist immer leichter, über fremde Probleme nachzudenken und Vorschläge zu fremden Herausforderungen zu machen, als wenn man selbst direkt verantwortlich ist. Du magst die Kurse und Bücher, die du vorschlägst, als Hilfe verstehen. Wenn sie zu einem Signal an deine Freundin werden, das sagt «Hey, es wäre doch ganz leicht» oder «Hier, das musst du unbedingt noch tun», dann nimmst du deine Freundin, vielleicht ohne es zu merken, nicht ernst. Denn wenn sie etwas ganz leicht ändern könnte und wollte, dann hätte sie es vermutlich schon getan. Die beste Unterstützung ist im Leben manchmal viel sanfter und passiver, als wir glauben. Zuhören und einfach nur Dasein helfen oft mehr, als viele Änderungsvorschläge zu machen und Meinungen zu teilen. Ausser natürlich, man wird danach gefragt.
Was aber heisst das für dich, für dein Glück und für deine Wünsche? Weil die sind auch wichtig! Überleg dir, was du selbst tun kannst, damit es dir mit deiner Sexualität gut geht. Sexualität kannst du nicht nur mit deiner Freundin leben, sondern auch mit dir selbst. Es kann spannend sein, mehr über die die eigene Solosexualität zu lernen. Dazu brauchst du niemanden, ausser dich selbst.
Überleg dir sorgfältig, wo deine Grenzen liegen, was eure Sexualität angeht. Wenn man im Leben nicht das bekommt, was man sich eigentlich wünscht, dann muss man sich fragen, mit was man denn im Minimum leben kann. Das heisst nicht, dass das dann für immer so bleibt, aber nicht alles lässt sich hinbiegen. Besonders dann nicht, wenn die andere Person anders sein müsste.
Mehr Gedanken zum Thema Wünsche und Bedürfnisse in Beziehungen findest du in diesem Text.
Ein anderes Thema ist die sexuelle Vergangenheit von deiner Freundin. Es ist nicht fair, wenn du ihr diese Vergangenheit vorwirfst und darin rum stocherst. Jeder Mensch hat ein Recht auf eine Vergangenheit und auf Privatsphäre. Vielleicht erhoffst du dir, dass du Frieden mit der Vergangenheit deiner Freundin findest, wenn ihr alle Männer durchgeht, zu denen deine Freundin Kontakt hatte. Aber erstens schuldet dir deine Freundin diese Art Offenheit nicht und zweitens ist offen, ob durch diese Kontrolle deine Ängste und Zweifel weggehen. Kontrolle hilft nämlich selten richtig gut gegen Angst und Eifersucht. Weil man nie alles kontrollieren kann, dreht man sich schnell im Kreis und Ängste und negative Fantasien werden noch grösser.
Was gut gegen Eifersucht hilft, ist Selbstsicherheit. Wir haben ganz viele Beratungstexte zu diesem Thema.
Du schreibst, dass dich die früheren Partner deiner Freundin nicht stören würden, wenn ihr ähnlich guten Sex hättet. Ich zweifle, dass das so einfach ist. Mit dem Vergleichen ist es nämlich ein bisschen wie mit dem Kontrollieren. Man denkt, dass es eine gute Idee ist, aber wenn man es dann macht, hat man nicht besonders viel davon. Oft wird es sogar noch unangenehmer. Du und deine Freundin führen eure ganz eigene Beziehung. Deine Freundin ist mit dir zusammen und nicht mit jemand anderem. Wenn du dich und euer Sexleben mit anderen vergleichst, dann ist es schwierig, das zu spüren und zu geniessen, was ihr tatsächlich habt.
Du und deine Freundin sprechen offenbar auch über das Thema andere Partner. Da ist es gut, wenn ihr beide ganz klar wisst, was ihr wirklich wollt und das offen kommuniziert. Sonst gerät ihr in eine offene Beziehungssituation, ohne euch wirklich sicher zu sein, dass das zu euren Bedürfnissen passt.
Wenn ich dich richtig verstehe, dann möchtest du treu sein, bist aber unsicher, weil du Fantasien hast, in denen andere Frauen vorkommen. Solche Fantasien zu haben ist in Ordnung. Deine Gedanken und deine Fantasien gehören dir. Sie können ganz wichtig sein für deine sexuelle Erregung. Es ist also etwas Gutes, dass du sie hast. Entscheidend ist, dass du weisst, was Fantasie ist und was du wirklich tun willst. Und ich denke, das kannst du.
Du schreibst, dass die Fantasien mit deiner Freundin nicht funktionieren, weil dein Kopf sagt, dass der Sex mit ihr nicht klappt. Hier ist es wichtig, dass du weisst, dass du keine bestimmten Fantasien haben musst. Fantasien sind auch etwas anderes, als Erinnerungen oder Pläne. Du musst dir nicht deine Freundin vorstellen, wenn du das nicht möchtest. Kann es sein, dass du vielleicht sehr hohe Erwartungen hast an diese Fantasien? Lies doch mal die Infos über Fantasien in diesem Text.
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