Liebes Lilli Team. Bin sehr jung mit meiner Frau vor knapp 20 Jahren zusammengekommen. Ich glaub wir lieben uns beide sehr, sind ein tolles Team in unserem gemeinsamen Geschäft und unserer Familie. Im Bett sind wir Ratlos.
Meine Frau hätte am liebsten keinen Sex, ich am liebsten 2-3 pro Woche. Ich würde dafür auch keinen Aufwand scheuen, es fruchtet bis jetzt einfach nichts. Wir waren auch länger in der Beratung deswegen. Ich habe mich schon oft gefragt ob sie Asexuell sein könnte. Habe sie dies einmal gefragt, kam aber gar nicht gut an...
An manchen Tagen komme ich gut mit unserer Situation zurecht an anderen Triggert es mich grauenhaft, was wiederum die ganze Situation noch mehr anspannt. Habt ihr mir einen Tip wie ich mit unserer unerfüllten Sexualität besser zurecht kommen kann?
Unsere Antwort
Auf Sexualität verzichten zu müssen, wenn man sie sich sehr wünscht, kann echt schwierig sein. Es geht einerseits um den Sex selbst, aber eben auch um das, was man damit in Verbindung bringt. Also vielleicht um Nähe oder das Gefühl, immer noch ein Liebespaar zu sein.
Du und deine Frau haben im Moment Wünsche, die nicht zusammenpassen. Du möchtest Sex, sie überhaupt nicht. Wenn du deine Frau nun immer wieder zum Sex überreden möchtest, dann zeigst du ihr damit, dass du sie und ihre Situation nicht verstanden hast. Das ist dann ein bisschen, wie wenn dir jemand sagt «Ich mag keine Spaghetti», du dann aber trotzdem mehrmals pro Woche Spaghetti auf den Tisch stellst. Dann kommt sich die andere Person irgendwann vermutlich ziemlich doof und unverstanden vor. Sie wird sich noch zurückziehen oder zu mauern beginnen bei diesem Thema.
Wenn eine Person überhaupt keine Lust auf Sex hat, dann hat das immer gute Gründe. Was diese Gründe sind, ist sehr unterschiedlich. Manchmal ist der Alltag einer Person zu stressig und zu wenig lustvoll, damit Sex darin Platz hat und dass die Person überhaupt Lust entwickeln kann. Manchmal fühlt sich eine Person mit sich selbst und ihrem Körper nicht richtig wohl. Manchmal gibt es ungelöste Beziehungsprobleme, die die Lust verderben. Und manchmal ist der Sex, der bisher stattgefunden hat, einfach nicht schön genug. Das soll nicht heissen, dass du dir keine Mühe gegeben hast. Aber es gibt Paare, die haben schlicht nie rausgefunden, was für beide so wirklich toll ist. Mehr zu diesem Thema kannst du im Text Keine Lust auf Geschlechtsverkehr nachlesen.
Menschen, die selbst gern Sex haben, können sich oft nicht vorstellen, dass es anderen nicht so geht. Sie denken dann vielleicht, dass mit ihrem Gegenüber etwas nicht stimmt. Also dass die Person irgendwie kaputt ist und repariert werden müsste. Natürlich kann ich nicht für deine Frau sprechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie sich deshalb nicht gut gefühlt hat, als du sie gefragt hast, ob sie vielleicht asexuell ist. Denk nochmal an die Person, die keine Spaghetti mag. Vermutlich würdest du ihr auch nicht sagen, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist, weil sie so empfindet, wie sie empfindet. Oder keinen Aufwand beim Zubereiten von Spaghetti scheuen und sie immer wieder hinstellen. Das ist dann vielleicht gut gemeint, man nimmt die Person aber nicht ernst.
Das alles bedeutet nicht, dass du Sex in dieser Beziehung einfach vergessen sollst. Es ist gut, dass du dich für deine Bedürfnisse einsetzt. Aber vermutlich kommst du weiter, wenn du deine Strategie änderst. Versuch deine Frau zu verstehen und sie dort abzuholen, wo sie jetzt ist. Und jetzt ist ihr Bedürfnis nun mal, dass sie keinen Sex möchte. Wenn du das respektierst und dabei neugierig auf ihre Sicht bist, zeigst du deiner Frau, dass du sie und ihr Bedürfnis ernst nimmst. Dann könnt ihr anfangen, auch bei diesem Thema ein Team sein. In einem guten Team bestimmen nämlich auch beide gemeinsam, in welche Richtung es gehen soll. Schau dir dazu bitte auch unsere Tipps Wieso lohnt es sich für mich (m), das Verführen zu üben? an.
Es ist ok, wenn du deiner Frau sagst, dass dich die Situation ohne Sex belastet. Dass du deshalb traurig, wütend oder angespannt bist. Oder was auch immer sonst für Gefühle hoch kommen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass ihr beide wisst, dass nicht deine Frau dafür verantwortlich ist, dass diese Gefühle und der Stress weggehen, indem sie mit dir schläft. Bitte sie, dass du ihr von deiner Situation erzählen darfst. Und lade sie ein, dass sie dir von ihrer Sicht erzählt. Dabei ist es ganz wichtig, dass sie weiss, dass diese Gespräche nicht einfach nur eine Vorstufe von Sexhaben sind, sondern dass es wirklich ums gegenseitige Verstehen geht. Weil nur wenn ihr euch als Teammitglieder verstanden habt, könnt ihr den weiteren Kurs bestimmen. Und zwar in dem Moment der für beide stimmt und dem Tempo, das für beide stimmt.
Vielleicht gibt es kleine Veränderungen in eurer Sexualität, auf die sich deine Frau einlassen mag. Vielleicht eine Massage oder nackt kuscheln. Gut möglich, dass sie dafür das Versprechen von dir braucht, dass ihr nicht weitermachen müsst, wenn ihr mit Experimentieren anfängt. Menschen, die keinen Sex mehr haben möchten, haben nämlich manchmal Angst, dass sie nicht mehr Stopp sagen können, wenn sie sich erst mal auf etwas eingelassen haben. Sprich: Wenn sie sich drauf einlassen, mal Nudeln zu probieren, dann doch den ganzen Teller essen müssen. Und das macht keinen Appetit.
Wenn du deiner Frau zeigen kannst, dass dir ihre Situation wichtig ist, mag sie vielleicht nochmals in eine Beratung kommen. Es sollte aber klar sein, dass es nicht einfach darum geht, mehr Sex zu haben, sondern dass es euch beiden mit dem Thema gut geht. Denn nochmals: Einfach mehr Spaghetti bringts nicht, wenn die Spaghetti selbst keinen Appetit machen.
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