Hallo,
ihr schreibt, dass man keine Schuld hat, wenn man in einer Beziehung vom Partner misshandelt wird, weil das andere die volle Verantwortung für seine Taten trägt.
Mein Umfeld meint, das Opfer ist selbst schuld- denn es hätte ja gehen können, sich trennen können.
Ich komme damit nicht klar. Vielleicht sind ja auch beide Schuld, aber der Täter ein bisschen mehr? Es stimmt ja schon, das Opfer hat sich sich selbst gegenüber schuldig gemacht weil es nicht gegangen ist um sich zu schützen.
Mir schwirrt total der Kopf, bin ich nun schuld, oder nicht? Ich habe irgendwie sehr viel Selbsthass und Selbstzweifel seitdem. Wie kann ich anderen klar machen, dass ich nicht schuld daran war?
Danke!
Unsere Antwort
Für jeden Schlag trägt der Schläger die Verantwortung. Das ist das, was wir meinen. Auch wenn sich die Partner*innen vielleicht provozierend verhält. Der Schläger schlägt. Nur er könnte das verhindern. Nur die Schlagenden könnten auch eine andere Antwort auf die Provokation wählen.
Dein Umfeld hat sehr altmodische Ansichten. Ein Beispiel: Der kurze Rock einer Frau ist kein Freifahrtschein für sexuelle Belästigung. Der Mensch, der sich an der Frau erregt, muss seine Impulse kontrollieren. Nicht die Opfer sind für die Verhinderung von Gewalttaten verantwortlich. Sie können ja gar nicht wissen, was ihr Gegenüber denkt und fühlt.
Bei Misshandlungen in der Partnerschaft ist es ganz genauso. Derjenige, der misshandelt, muss die Misshandlung verantworten. Dein Umfeld übersieht, dass Partnerschaften meist auf Dauer geschlossen werden. Beim ersten Schlag das Haus zu verlassen, könnte man vielleicht empfehlen. Wie realistisch ist das, wenn die Wohnung gemeinsam gemietet wurde, wenn gemeinsame Kinder da sind, wenn der Lebensstil auf zwei Einkommen eingerichtet wurde, wenn man sich vor seinem Umfeld schämt? In den meisten Fällen beginnt eine Beziehung mit grosser Verliebtheit. Die beiden finden sich gegenseitig sehr anziehend. Beide träumen wahrscheinlich davon, eine längere Zeit und vielleicht das ganze Leben miteinander zu verbringen. Das gibt man doch nicht sofort auf, wenn der/die Andere sich falsch verhält. Vergebung ist ein hoher Wert in unserer Gesellschaft. Und wenn du dann noch in einem Umfeld lebst, dass den Opfern durchaus Mitverantwortung gibt, ist ein „Weglaufen“ doch kaum möglich.
Wir raten dir, dich an die einfache Regel zu halten: Wer tut, muss die Taten verantworten. Alle gesetzlichen Gewaltschutzmassnahmen haben das verstanden. Der Täter/die Täterin muss die Wohnung verlassen. Beim altmodischen Weg verlässt die Frau mit den Kindern die Wohnung, sucht ev. Schutz im Frauenhaus und trägt die ganze soziale Last fast allein.
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