Rückmeldung zur Frage 35590
Zuerst einmal ein großes Dankeschön für diese ausführliche und wertvolle Antwort. Ich fühle mich gerührt und bin glücklich über den Input. Beim Lesen merke ich, dass ich weinen muss und eine große Abwehrhaltung meinem Körper gegenüber entwickelt habe. Die Körperakzepzanz war schon mit "unversehrtem" Körper schwierig (schwierige kindheit und diverse negative Erfahrungen in Bezug auf meinen Körper seitens Familie, v.a. der Mutter und auch durch Mitschüler) und scheint nun unerreichbar. Ich möchte gar nicht hinsehen, sondern die Probleme auf körperlicher Ebene gelöst haben.
Allerdings ist mir auch bewusst, dass das Ergebnis nicht meinen Hoffnungen entsprechen kann und Komplikationen mich physisch wirklich sehr beeinträchtigen können. Die Gefahr wäre ich dann ganz bewusst eingegangen. Vielleicht aus einer Vermeidungstaktik heraus, was zusätzlich belastend wäre. Generell denke ich, dass psychische Probleme auch psychisch gelöst werden sollten. Denn ich erfahre ja durch meinen Körper wenig funktionelle Beeinträchtigung in der Hinsicht. Was sich nach einem missglückten Eingriff natürlich einstellen könnte.
Wenn jemand eine so riesige Barriere seinem Körper gegenüber aufgebaut hat und keine Annäherung und Versöhnung findet, können dann trotzdem ihre Tipps ausreichen? Eine Sexualtherapie oder Psychotherapie ist aus finanziellen und Zeitgründen sehr schwierig aktuell. Das wäre aber natürlich die optimale Lösung wie ich beim Auseinandersetzen mit ihrer Antwort schon merke. Lohnt es sich auf lange Sicht mehr, den Weg der Akzeptanz zu üben? Was denken Sie? Herzliche Grüße!
Unsere Antwort
Schön, dass sich deine Gefühle nach dem Lesen unserer Antwort so zeigen durften. Du spürst, was bei dir vorgeht. Und du hast eine klare Sicht der Dinge: Du möchtest am liebsten nicht hinsehen. Dir ist bewusst, wie gross die Abwehrhaltung deinem Körper gegenüber ist. All das sind gute Voraussetzungen dafür, den Weg der Akzeptanz zu gehen.
Abwehr hat immer einen Grund. Sie ist ein Überlebensmechanismus. Womöglich hat dir die Abwehr gegenüber deinem Körper geholfen, dich weiterhin als Teil deiner Familie und deiner Klasse zu fühlen. Um dazuzugehören, hast du die Meinung übernommen "Mit mir ist etwas falsch, und die haben Recht". Überleg mal, wofür die Abwehr bei dir gut war? Hat sie dich womöglich vor etwas noch Schlimmerem bewahrt? Du entwickelst mehr Mitgefühl mit dir, wenn du verstehst, dass mit dir ganz grundsätzlich nichts falsch ist. Dieses Mitgefühl dir selbst gegenüber kannst du üben. Falls du mehr dazu lesen möchtest, empfehle ich dir das Buch "Selbstmitgefühl" von Kristin Neff und Christopher Germer.
Akzeptanz bedeutet ein grundsätzliches Ja zum Leben und zu den Dingen, wie sie sind. Es ist der Schritt raus aus Vermeidung und Leid. Statt zu leiden, nimmst du deinen Schmerz über die Dinge an. Du kämpfst also nicht gegen die Realität, sondern nutzt deinen Blick für die Realität als Motor für deine Handlungen. Ja, du hast diverse negative Erfahrungen gemacht in Bezug auf deinen Körper – sowohl früher als auch bei den Geburten deiner Kinder. Ja, diese Erfahrungen beeinflussen dich noch heute. Ja, das belastet dich. Und gleichzeitig: Ja, du kannst etwas tun. Ja, das wird dauern. Ja, du kannst selbst Veränderung einladen. Und gleichzeitig: Ja, du kannst dich ebenso dazu entscheiden, diesen Weg nicht zu gehen, nicht jetzt zu gehen oder nie zu gehen. Biete den Gefühlen, die damit einhergehen, Raum, statt sie wegzudrücken.
Wir erleben immer wieder, wie viel möglich wird, wenn die Barrieren über den Körper angegangen werden, statt nur gedanklich oder mit Worten. Mit den Übungen, die wir dir beschrieben haben, erlebt dein Körper eine neue Wahrheit des Angenommenseins. Das verfestigt sich nach und nach in deinem Gehirn. Das ist ein ganz alltäglicher Lernprozess, den du für dich nutzen kannst. Füttere dein Gehirn mit Erfahrungen, die in die gewünschte Richtung weisen. Lass dich nicht verunsichern, wenn du immer wieder in die Gewohnheit der Selbstabwertung fällst. Das ist normal. Wenn du es bemerkst, kannst du dich jedesmal wieder für Wohlwollen deinem Körper gegenüber entscheiden und dafür, dich mit ihm anzufreunden.
Eine gute fachliche Begleitung bringt viel: Du bist nicht so allein, du kriegst neue Ideen und eine neue Perspektive auf die Dinge, und du wirst motivert, dran zu bleiben, bis sich etwas merklich in Bewegung setzt. Du kannst aber jetzt auch allein die Schritte gehen, die jetzt möglich sind. Wenn du später merkst, dass du auch noch eine Sexualtherapie oder Psychotherapie machen möchtest, kannst du das immer noch machen.
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