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Frage Nr. 38416 von 12.06.2024

Hallo Lilli,

Im Rahmen meiner letzten Beziehung wurde ich leider Opfer eines Narzissten. Das Gaslighting hat mir besonders zugesetzt, da ich nichts richtig machen konnte. Ein Beispiel: Nach der Arbeit habe ich ihn immer mit einem selbstgekochten Essen empfangen. Wenn ich einen Nachtisch gemacht habe, bekam ich Ärger, weil Nachtisch macht fett. Wenn ich keinen Nachtisch gemacht habe, bekam ich Ärger, denn er hatte Lust auf Nachtisch. Wenn ich ihn vorher per Chatnachricht frage, ob er einen Nachtisch wolle, bekam ich Ärger, denn das wisse er jetzt noch nicht und ich müsse das erfühlen können, wenn ich ihn wirklich kennen würde. Ich war so so so so hilflos. Das war in so vielen Fällen so, bei verschiedensten Themen. Wenn ich nachfragte nach seinem Tag, bekam ich Ärger, denn das ginge mich nichts an. Wenn ich nicht nachfragte, bekam ich Ärger, denn ich interessierte mich nicht für ihn. Wenn ich ihn fragte, ob ich nachfragen darf, und dann nachfragte, bekam ich Ärger, denn ich fragte nicht auf die Art und Weise nach, wie er es haben wollte.... Und manchmal, da bekam ich einfach silent treatment oder wurde rausgeworfen mit den Worten "denk mal scharf nach was du falsch gemacht hast, das sag ich dir jetzt nicht". Da ich aber immer in bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe, und es sich um so Dinge wie Nachtisch, Nachfragen, falsche Hose an etc. handelte, wusste ich natürlich nicht, was ich falsch gemacht haben sollte.

Ich habe zur Aufarbeitung eine Psychotherapie gemacht. Leider bekam ich bei meinen Wunschtherapeutinnen über Jahre keinen Platz von der Warteliste, sodass ich irgendeine nehmen musste. Diese Therapeutin hat mich total retraumatisiert. Sie sagte, es läge daran, dass ich meine Gefühle nicht ausdrücken könne. So wie ich meine Gefühle ausdrücken würde, würde das mein Gegenüber aggressiv machen. Ich versuchte alles. Beschrieb wie sich meine Gefühle im Körper anfühlen: wo, wie groß, wie klein, welche Farbe sie vielleicht haben. Beschrieb in Parabeln/Fabeln, wie meine Gefühle sein könnten. Beschrieb in Bildern, wie das Gefühl aussehen könnte, z.B. ein Schatten mit einer Bratpfanne in der Hand, die mir auf den Kopf gehauen wird. Nein nein nein. Alles nicht richtig. Ich fragte, was soll ich tun, wie soll ich ausdrücken?

Da half sie mir nicht weiter. Wenn ich es nicht richtig machte, schaute sie betont aus dem Fenster und ignorierte mich als Zeichen, ich soll aufhören bzw. was anderes machen. Da ich aber oft in Flashbacks geriet, bemerkte ich das oft nicht gleich. Ich redete also, und bemerkte erst nach langer Zeit, dass sie mir den Rücken zugewendet hatte und aus dem Fenster sah. Manchmal wurde ich verzweifelt, weil ich meine Gefühle immer noch nicht richtig beschrieb und weinte. Dann warf sie mich hinaus mit den Worten, dass ich so jetzt nicht therapiefähig wäre, und nächste Woche wiederkommen solle.

Ich wurde emotional abhängig von ihr wie von dem Mann. Ich verlängerte sogar die Therapie, in der Hoffnung, doch noch zu lernen meine Gefühle so ausdrücken zu lernen, dass mein Gegenüber davon nicht mehr aggressiv würde....

Und was ich auch ganz schlimm fand, dass ich sagte, ich wünschte mir zwei bis drei Säulen im Leben: Einen Beruf der mich nicht quält, und ein Hobby in einem Sportverein und vielleicht eine Partnerschaft. Sie putzte mich herunter, dass sich nur die oberen 15 Prozent der Gesellschaft überhaupt ein Hobby oder eine adäquate Wohnsituation leisten könnten, und die anderen 80 Prozen auch ohen diese Säulen auskommen müssten. Da gab es dann Streit, weil ich sagte, warum gibt es dann so viele Sportvereine? Der Hintergrund war nämlich, dass ich durch meine Erkankung damals keinen Sport machen konnte und arbeitsunfähig war. Deshalb meine Wünsche.

Jetzt stehe ich da, und ergehe mich in Selbsthass. Obwohl ich weiß, die Therapeutin war schlecht, nimmt mein innerer Kritiker ihre Aussagen, und brät sie mir wieder und wieder über.

Ich weiß jetzt nicht mehr was ich tun soll. Ich stehe bei fünf meiner Wunschtherapeuten immer noch auf der Warteliste, und bekomme keinen Platz. Irgendwen will ich nach dieser Erfahrung nicht mehr nehmen.
Wie kann ich denn diese Therapie ohne eine weitere Therapie aufarbeiten, habt ihr da einen Tipp?

Vielen lieben Dank!

Unsere Antwort

Du hast das Prinzip des Gaslighting verstanden und kannst das Verhalten deines Ex-Partners als Prozess sehr eindrücklich beschreiben. Du hast erkannt, dass du bei einem konsequent immer kritisierenden Mann keine Chance hast. Offensichtlich ist es dir gelungen, dich von ihm zu trennen. Mit der Therapeutin entstand die gleiche Dynamik. Es wäre der Job der Therapeutin gewesen, diese Dynamik zu erkennen und zu unterbrechen. Auch das hast du verstanden und dich auch aus der Therapie gelöst.

Jetzt bist du ohne Rat. Und schon springt dein innerer Kritiker ein und stellt die alte Kritisier-Dynamik wieder her. Du kannst nichts richtig machen. Du schreibst: ich ‚ergehe mich in Selbsthass‘. Und wieder beginnst du dich unterzuordnen und auf ‚Wunschtherapeut*innen‘ zu warten. Früher hast du gekocht und um die richtige Speisefolge gekämpft. Du hast versucht, es deinem Partner recht zu machen. Dann hast du die Therapeutin mit Parabeln, Fabeln und Bildern zu gewinnen versucht. Sie antwortete mit verletzendem Abwenden und Abwerten. Beides war vergeblich.

Wir raten dir zu einem Ausstieg aus der Dynamik! Du hast verstanden, wie das läuft. Setze deinem Selbsthass und dem inneren Kritiker Grenzen. Beide sind wohl bei deinem Ex-Partner und der Therapeutin in die Lehre gegangen. Jetzt wiederholen sie die Sätze, die sie dort gelernt haben. Das Verhalten von Ex-Partner und Therapeutin war falsch, wie du weisst. Sie bleiben falsch, auch wenn du selbst jetzt diese Wörter und Sätze wirksam werden lässt. Darum wäre es doch gut, du übernimmst selbst die Kontrolle über dein Innenleben. Das wird dir gelingen, wenn du dich in der Erkenntnis bestärkst, dass Gaslighting-Verhalten Schaden anrichtet. Deine Wahrnehmung stimmt. Es reicht, wenn du immer wieder deine Selbstsicherheit unterstützt und für dein Wohlbefinden sorgst. Selbstsicherheit und Wohlbefinden geben den besten Rat, wenn es um die Beurteilung von Beziehungspersonen geht. Sie merken, was gut tut und was verletzt. Sie haben auch keine Lust, verletzt zu werden. Du kannst dich auf die beiden also verlassen. Du kannst jetzt mithelfen, dass sie in deinem Innenleben oft genug zu Wort kommen. Am besten wartest du nicht, bis die nächste Therapie beginnt, sondern fängst gleich damit an. Für deine kommende Therapie wünschen wir dir, dass du gut dich gut unterstützt und verstanden fühlen wirst.

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