Ich (23, weiblich, heterosexuell) habe ein Problem damit, welche Männer ich, vom Aussehen her, attraktiv finde. Ich finde fast nur Männer, die sehr weiblich oder "typisch schwul" aussehen, attraktiv. Das betrifft ihr natürliches Aussehen (Gesichtszüge, Figur, ...) als auch das Styling. Mir gefällt Schmuck, Nagellack, lange Fingernägel, Make-up, gefärbte Haare, schöne, stylishe Kleidung, je gepflegter und gestylter ein Mann aussieht, desto besser.
Die Tatsache per se, dass mir diese Dinge gefallen, ist eigentlich kein Problem. Das Problem dabei ist, dass es in der Stadt wo ich wohne (eine Großstadt, wo viele verschiedene Leute wohnen), nur wenige Männer gibt, die dem entsprechen. Das liegt natürlich auch daran, dass es leider als "uncool" und "schwul" und "unmännlich" gilt, wenn ein Mann so aussieht.
Es ist aus diesem Grund extrem schwierig für mich, einen Sexualpartner zu finden. Ich habe noch nie mit jemandem geschlafen, obwohl ich das immer schon unbedingt wollte. Dieses Problem belastet mich schon seit vielen Jahren sehr und ich verzweifle sehr daran, dass ich keinen Sexualpartner finde. Ich habe deswegen (nicht nur deswegen, aber vor allem deswegen) auch schon seit Jahren Depressionen und habe auch schon seit Jahren immer wieder ernsthaft über Selbstmord aus diesem Grund nachgedacht.
Eine Frage, die ich dazu habe, ist, ob es sein kann, dass Sex für manche Menschen wichtiger ist als für andere. Kann es sein, dass manche Menschen Sex mehr brauchen, um glücklich zu sein? Ich kenne andere Menschen, die auch jahrelang keinen Sex haben (vermute ich zumindest), und die so wirken, als ob sie nicht so extrem daran verzweifeln wie ich. Stelle ich es mir nur vor, dass mein Leben mit Sex um so viel schöner wäre? Oder kann es sein, dass für diese Personen Sex nicht so wichtig ist (asexuell oder ähnliches)? Kann es sein, dass Sex für mich sehr wichtig ist und es mir deswegen ohne Sex schlechter geht als anderen Leuten? Woher weiß ich das, wenn ich noch nie Sex hatte?
Ich habe seit Jahren mit sehr großem Bemühen versucht, solche Männer kennenzulernen, aber es gab immer irgend einen Grund, warum es nicht dazu gekommen ist, dass wir miteinander schlafen.
Ich denke jeden Tag daran, was ich verpasse, weil ich mit niemandem schlafen kann. Ich will nicht mehr ohne Sex leben und ich würde lieber jetzt sofort sterben als dass ich mein Leben lang ohne Sex leben muss. Ich mache auch schon seit vielen Jahren eine Psychotherapie, aber die Therapeutin kann das hier beschriebene Problem auch nicht lösen.
Ein weiteres Problem dabei ist, dass ich das Gefühl habe, dass ich dieses riesige sexuelle Problem anderen Personen (FreundInnen usw.) verheimlichen muss.
Ich schäme mich sehr dafür, dass ich noch nie mit jemandem geschlafen habe und ich versuche, das vor anderen Menschen zu verheimlichen.
Ich weiß, dass ich nichts dafür kann und dass es nicht daran liegt, dass ich unattraktiv oder unsympathisch bin, da es oft Männer gibt, die mich attraktiv finden. Es liegt auch nicht daran, dass ich es nicht mit größtem Bemühen versucht hätte. Aber ich fühle mich wie ein großer Loser.
Wenn jemand erfährt, dass ich noch nie mit jemandem geschlafen habe, erweckt das einen komplett falschen Eindruck von mir. Ohne die wahren Gründe zu kennen, würde man wahrscheinlich vermuten, dass ich mich nicht bemüht hätte oder dass ich nicht mutig genug bin, was auch nicht stimmt, da ich oft aktiv auf Männer zugehe, die mir gefallen.
Man würde vielleicht vermuten, dass ich konservativ bin, was ich absolut nicht bin.
Man könnte denken, dass mir sexuelle Kontakte nicht wichtig sind, was auch absolut nicht stimmt.
Man könnte denken, dass ich unrealistisch hohe Ansprüche habe, was auch nicht stimmt, weil ich weiß, dass ich mir hohe Ansprüche absolut nicht leisten kann in meiner Situation.
Man könnte denken, dass ich erst mit jemandem schlafen will, wenn ich mit ihm eine Beziehung habe oder sehr in ihn verliebt bin, aber das ist auch nicht der Fall. Ich würde auch einen One night stand haben wollen.
Jede halbwegs plausible Erklärung, die jemandem einfallen könnte, warum ich noch nie mit jemandem geschlafen habe, stimmt nicht. Ich müsste den Leuten sagen, woran es liegt, damit sie mein sehr spezifisches Problem verstehen würden. Ich traue mir nicht, FreundInnen mein Problem zu erklären, weil ich Angst habe, dass sie mich dann für eine perverse Fetischistin halten.
Ist es möglich, dass ich das irgendwie erweitere, welche Männer ich attraktiv finde, sodass ich auch "normal" aussehende Männer attraktiv finde? Gibt es eine Möglichkeit, zu ändern, welche Personen man attraktiv findet?
Unsere Antwort
Vielen Dank für deinen Mut und dein Vertrauen, uns zu schreiben. Ich finde deine Erklärung sehr plausibel. Es gibt einen bestimmten Typ Mann, den du attraktiv findest. Und mit keinem dieser Männer kam es bislang zum Sex. Das ist verständlicherweise frustrierend.
Du schreibst von schweren Depressionen mit Selbstmordgedanken. Depressionen sind eigentlich eine Anpassung.
Wenn du eine Depression hast, sinkt dein Selbstvertrauen, du fühlst dich antriebslos, du kannst dich schlecht für was entscheiden, du kannst dich schlecht konzentrieren und verlierst den Spass am Leben. Vielleicht vergeht dir der Appetit, vielleicht isst du zu viel. Vielleicht kommst du nicht aus dem Bett, vielleicht kannst du nur schlecht schlafen. Vielleicht fühlst du dich leer und teilnahmslos, vielleicht ängstlich und angespannt. Depression unterscheidet sich klar von Traurigkeit: Bei Traurigkeit, kannst du weinen und weisst warum. Die Depression unterscheidet sich von Traurigkeit dadurch, dass Menschen mit Depression sich kaum freuen und manchmal auch nicht weinen können. Du kannst die Depression als eine Art Bremsmanöver, als ein Aussteigen vom Machen, Erleben und Spüren ansehen. Das ist eine Art, mit Überforderung umzugehen.
Für welche Überforderung war Depression die Lösung? Was hast du erlebt? Hast du dich womöglich an dein Elternhaus angepasst?
Eine Sache, die bei mir beim Lesen grosse Fragezeichen aufwirft ist: Wieso machst du deine Sexualität abhängig von einem Mann, den du nicht findest?
Du schreibst "Ich denke jeden Tag daran, was ich verpasse, weil ich mit niemandem schlafen kann." – Du könntest zunächst eine Sexualität mit dir selbst pflegen. Vielleicht möchtest du mir etwas mehr dazu schreiben, wie das bisher ist. Macht du Selbstbefriedigung? Wie empfindest du die Selbstbefriedigung?
Was macht für dich den Unterschied zwischen Sex zu zweit und Sex mit dir selbst?
Du stellst einige Fragen zur Bedeutung von Sex. Was wir aus der beraterischen Arbeit sehr gut kennen, ist, das Menschen versuchen mit Sex andere Bedürfnisse zu befriedigen. Welche Bedürfnisse würde Sex für dich befriedigen? Worum geht es dir? Ich kann mir gut vorstellen, dass es dir Erleichterung verschafft, wenn diese Bedürfnisse durch andere Aktivitäten genährt werden.
Grundsätzlich kann es sich verändern, wer dich sexuell anzieht. Das hat viel mit deinem Bezug zu dir selbst zu tun. Gleichzeitig gibt es verschiedene Möglichkeiten, spielerisch mit dieser Vorliebe umzugehen. Es gibt zum Beispiel viel mehr Männer als du denkst, die gerne im Privaten mit dem Tragen von Kleidern oder Röcken experimentieren. Da könnte es also auch eine Passung geben.
Ich werde nicht auf alles, was dich beschäftigt, in dieser ersten Antwort eingehen können. Aber du kannst gern wieder schreiben. Gib dann bitte die Nummer dieser Frage an.
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