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Frage Nr. 39220 von 08.12.2024

Hallo,
ich habe eine Frage an euch und hoffe auf euren Rat. Meine Lebensgefährtin hat es gut gemeint und mich dazu ermutigt, nach all den vielen Therapien einen Antrag auf einen Grad der Behinderung (GdB) zu stellen. Während meiner letzten Therapie hatte ich auch Kontakt zu einem Mädchen, das etwas Ähnliches erlebt hat wie ich. Sie wurde missbraucht und ritzt sich häufig. Sie hat einen Antrag gestellt und einen Grad von 50 erhalten. Ich war anfangs unsicher, ob ich einen Antrag stellen soll, habe es aber schließlich doch getan. Jetzt bin ich sehr enttäuscht, dass mir nur ein Grad von 40 zugesprochen wurde. Das hat mich tief getroffen.

Ich bin 61 Jahre alt und habe eine schwere Kindheit hinter mir: Jahre des Missbrauchs und der Gewalt, ohne jegliche Hilfe. Niemand hat mir geglaubt, weil meine Mutter immer behauptet hat, ich sei nur hingefallen oder würde mir Dinge einbilden. Die Einschätzung des GdB hat viele alte Wunden wieder aufgerissen. Ich fühle mich wieder so hilflos wie damals als Kind. Flashbacks holen mich immer wieder ein, und manchmal sind sie so real, dass nicht einmal das Ammoniak, das ich immer bei mir trage, hilft.

In meiner Therapie wurde die Diagnose F62.0 gestellt, aber ich weiß nicht wirklich, was ich damit anfangen soll. Alles fühlt sich so schwer an, und manchmal überkommen mich wieder Gedanken an Suizid, gerade nach solchen Beurteilungen. Nach außen versuche ich, normal zu wirken, damit niemand merkt, wie schlecht es mir geht. Ich verletze mich nicht selbst, aus Angst, dass es jemand sehen könnte. Ich nehme viele Medikamente, um zumindest ein paar Tage besser zu überstehen.

Aber ich frage mich oft: Hört das irgendwann auf, oder wird es immer wiederkommen? Eigentlich wollte ich nie so alt werden. Ich habe jahrelang versucht, mich mit Arbeit und extremen Aktivitäten wie Fallschirmspringen oder meiner Arbeit bei der Formel 1 abzulenken, wo ich Zugang zu vielem extremen sachen hatte. Doch jetzt funktioniert nichts mehr. Ich habe zudem einen starken Tinnitus, der besonders nachts ein großes Problem ist. Ich weiß nicht mehr weiter. Was kann ich noch tun?

Unsere Antwort

Es ist sehr mutig den Antrag auf GdB (Grad der Behinderung) zu stellen. Denn hier gibt man viel preis und man setzt sich der Situation aus, dass darüber entschieden wird, wie stark man als eingeschränkt gilt.

Ein großes Missverständnis ist, dass beim Festlegen des GdB abgebildet wird, wie es jemandem wirklich geht und was diese Person erlebt hat. Ich habe es schon öfter erlebt, dass Menschen über die Einsortierung verunsichert oder gekränkt waren und sich nicht gesehen gefühlt haben.

Die Feststellung des GdB ist wie ein behördlicher Akt und sehr emotionslos.

Der GdB sagt nichts darüber aus, wie schwierig dein Leben war und ist, sondern versucht einzuschätzen, wieviel Nachteil du deswegen heute im alltäglichen Leben hast. Einfacher zu verstehen ist das bei körperlichen Erkrankungen: Jemand mit einer Behinderung an der Hand braucht weniger Ausgleich, als jemand mit Behinderungen an beiden Händen. So einfach wie es hier ist, so schwierig ist es, wenn es um seelische Themen geht. Ich wünsche dir, dass du versuchst, das nicht persönlich zu nehmen. Nimm den Ausgleich, den dir der GdB bietet, an. Dass du viel durchgemacht hast, ist unbeschritten. Was du erlebt hast, ist sehr einschneidend und belastend. Deine Diagnose bestätigt das.

Wenn du wegen dem GdB doch noch etwas machen möchtest, kannst du Widerspruch einlegen oder eine Gleichstellung beantragen.

Ich finde, jetzt ist es wichtig, dass du dich um dich und auch um deine Gefühle der Enttäuschung und Hilflosigkeit kümmerst. Auch weil jetzt Altes wieder hochgekommen ist und der Tinnitus so stark ist, empfehle ich dir dringend, dass du wieder eine Therapie machst. Du hast im Leben bis jetzt enorm viel geleistet. Aber ich finde, jetzt solltes du dir fachliche Unterstützung holen, um mit deinem Zustand und deiner Situation klar zu kommen.

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