Liebes Lilli Team,
ich (w,23) bin seit einem halben Jahr glücklich mit meiner Freundin zusammen. Wir beide haben eine relativ hohe Libido und ich hatte nie ein Sexleben, das mich mehr erfüllt. Wenn jedoch Situationen aufkommen, bei denen ich Lust auf Sex habe sie aber nicht, bin ich sehr schnell sehr stark verletzt. Ich fühle dann starke Ablehnung, Frust und teilweise auch ein wenig Wut. Mir ist das selber unangenehm und ich weiß, dass es vollkommen in Ordnung ist mal keine Lust auf Sex zu haben. Mir ist auch bewusst, dass das dann nichts mit mir zu tun hat und ich würde das auch niemals an ihr auslassen.
Ich habe mit ihr da auch schon drüber gesprochen und weiß auch, dass sie das nicht ablehnend meint. Das sagt sie dann auch meist und es kommt auch nicht so häufig vor, aber trotzdem ist in mir immer dieses Gefühl.
Ich kann normalerweise immer gut einschätzen, wo meine Gefühle herkommen und kann sie regulieren, wenn sie lediglich Triggerpunkte sind und nichts mit der anderen Person zu tun haben. Beim Thema Sex fällt mir das aber total schwer da in mich reinzuhorchen. Dementsprechend fällt es mir auch sehr schwer mit dieser Ablehnung dann umzugehen.
Habt ihr vielleicht Tipps wie man damit umgehen kann? Oder habt ihr schon mal von jemandem gehört, der/die ähnliche Erfahrungen gemacht hat und wisst was mögliche Ursachen dafür sein können?
Kurz als Background Info:
Ich hatte mal eine Zeit, in der ich keinen Sex haben konnte, weil ich schlechte Erfahrungen in meiner Jugend gemacht habe. In der Zeit war ich mit meinem Ex-Freund zusammen. Ich habe die Probleme aber gut in den Griff bekommen und konnte mein Sexleben wieder ausleben. Dann hatte mein Ex-Freund jedoch nie Lust auf Sex. Ich wusste nie warum, aber er wollte nie. Das hat mich über die Jahre hin sehr frustriert, auch wenn ich sehr gut nachvollziehen konnte wie es ist, das nicht zu können/wollen. Jedes Mal, wenn er Signale gesendet hat, dass er Lust hat und ich dann versucht habe das ganze zu Initiieren, hat er abgeblockt.
Meine jetztige Freundin ist aber überhaupt nicht so und das ist mir auch bewusst. Trotzdem löst eine Ablehnung immer in mir diesen Frust und die Ablehnung aus.
Versteht mich bitte nicht falsch, ich verurteile niemanden dafür, wenn er/sie keine Lust hat oder nicht kann oder aus was für einem Grund auch immer „Nein“ sagt. „Nein“ heißt „Nein“ und da würde ich nie auf die Idee kommen das nicht zu respektieren. Es geht viel mehr um meine eigene Gefühlswelt, die ich dann nicht verstehe und die ich nicht regulieren kann.
Unsere Antwort
Du scheinst schon allgemein sehr gute Fähigkeiten entwickelt zu haben, dir deiner Gefühle bewusst zu werden und über sie zu reflektieren. Du zeigst auch deiner Freundin wie es dir geht. Das ist eine gute Idee, damit sie dich verstehen kann.
Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Gefühle über den Körper zu beeinflussen. Schau dazu doch zunächst mal in unsere Texte Wie beruhige ich mich selbst? und Wie beeinflusse ich meine Stimmung über den Körper?
Du fragst ausserdem nach den Ursachen. Da kann ich nur Vermutungen anstellen und deine Neugier auf dich wecken.
Ich habe in dem Zusammenhang einige Rückfragen zur Situation mit deinem Ex:
Das klingt ja ziemlich krass. Da hast du über Jahre probiert Sex mit ihm zu haben, nachdem er dir Teaser hingeworfen hat und dann hat er abgeblockt. Das klingt ja qualvoll. Wie bist du denn damit umgegangen? Da hast du eine unglaublich dicke Haut gehabt, sonst würde das niemand aushalten.
Das ist das Gegenteil von dem, was du jetzt beschreibst mit deiner Freundin. Offenbar warst du da nicht so wütend, frustriert, abgelehnt..? Wenn du das damals ständig erlebt hättest, hättest du es nicht ausgehalten. Du hast verdammt viel ausgehalten. Was war da anders als jetzt? Wie hast du das hingekriegt? Wie war das dort mit den Emotionen? Wie hast du dich da reguliert?
Grundsätzlich ist es normal, dass es sich nicht schön anfühlt, wenn man Lust auf Sex hat und die andere Person lässt einen abblitzen. Das kann verunsichern und unangenehme Gefühle auslösen. Wenn du dich gegen diese Gefühle sträubst, fängst du an dich anzuspannen. Eine andere Methode ist, den Körper zu lockern und zu akzeptieren, dass du diese Gefühle hast. "Es ist völlig in Ordnung, dass ich mich jetzt mal abgelehnt fühle." Dann gehen die Gefühle auch schneller wieder vorbei.
Da hat es also eine Logik dahinter, Anspannung macht die Gefühle mächtiger, Lockerheit macht dich mächtiger. Du kannst dich also gut rüsten statt dich zu sträuben. Das braucht Übung. Nach und nach wirst du die Fähigkeit entwickeln, dich trösten zu können. Du kannst dich quasi selbst in den Arm nehmen, wenn du dich abgewiesen fühlst.
Schau mal, was du mit diesen Anregungen anfangen kannst. Schildere uns gern deine Gedanken dazu. Falls du uns wieder schreibst, gib bitte die Nummer dieser Frage an.
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