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Wie beruhige ich mich selbst?

Wenn von Angst, Wut oder anderen unangenehmen Gefühlen überwältigt wirst, kannst du etwas dafür tun, dass du dich selbst beruhigst und tröstest. Du kommst so besser mit dir und deiner Lebenssituation klar.

Warum soll ich mich selbst beruhigen?

Eigentlich ist die Antwort klar: Du solltest dich beruhigen, damit du wieder ruhiger bist und dich besser fühlst. Wenn du das kannst, kriegst du unangenehme Gefühle besser in Griff – zum Beispiel Angst oder Wut. Du bist dann nicht so davon abhängig, dass andere Menschen dich beruhigen.

Stell dir vor, du hast Knatsch mit der Person, die dich normalerweise am besten beruhigt. Das kommt in einer Liebesbeziehung immer wieder vor. Die andere Person ist im Krach nicht für dich da. Daher ist es gut, wenn du dich selbst beruhigen kannst. Das macht dich unabhängiger. Lies dazu bitte diesen Text über Eigenständigkeit in einer Liebesbeziehung.

Hinzu kommt: Wenn du dich selbst beruhigst, nimmst du dich ernst. Du erkennst, wie es dir gerade geht, und was du brauchst: «Mir ist grad alles zu viel. Ich bin kurz vor dem Durchdrehen. Ich brauche jetzt eine Pause. Ich brauche dringend Bewegung». Wenn du Selbstberuhigung übst, tust du was dafür, dass du eine gute Beziehung zu dir selbst hast.

Wie kann ich mich selbst beruhigen?

Du machst wahrscheinlich ganz automatisch schon vieles, um dich selbst zu beruhigen. Da gibt es ja ganz viele Möglichkeiten: Musik oder Podcasts hören, laufen oder Sport machen, Freund*innen treffen oder telefonieren, einem Hobby nachgehen, was dir wirklich Spass macht, Yoga oder Meditation machen. Auch intime Nähe und Sex mit einer anderen Person oder Selbstbefriedigung können beruhigend sein.

Was in der Regel immer hilft: Bewegung, Entspannung, gute Atmung, soziale Kontakte und angenehme Berührungen.

Was, wenn schlimme Gefühle mich übermannen?

Unangenehme Gefühle sind menschlich. Sie zeigen uns, dass etwas nicht stimmt. Angenommen, die Angst übermannt dich. Oder eine Riesenscham. Oder grosse Niedergeschlagenheit. Verzweiflung. Wenn du dich gegen sie sträubst, gerätst du noch mehr in Stress. Dadurch werden die schlimmen Gefühle noch stärker.

Eigentlich ist das so: Die Gefühle sind nicht das Problem, denn sie treten auf, weil sie auftreten müssen. Das Problem ist deine Haltung zu den Gefühlen. Das Problem ist, dass du sie abwehrst. Das geht vielen Menschen so. Lies dazu bitte diesen Text.

Es ist viel besser, wenn du die Gefühle ernst nimmst und schaust, was sie für Gründe haben. Dafür musst du dich erst mal in einen Zustand bringen, wo du dein Kopf so klar ist, dass du einigermassen sehen kannst, was bei dir abläuft. Das heisst: Du musst dich erst beruhigen. Oder noch besser: trösten.

Wie tröste ich mich selbst?

Was heisst Trösten? Trösten heisst: dich in den Arm nehmen, das Gefühl ernst nehmen, seine Ursachen mit dir besprechen und dir klarmachen, dass es vorbeigehen wird. Du kannst lernen, dich selbst zu trösten. Das ist Übungssache.

Stell dir vor, du hast Angst. Überleg dir etwas, was dir Angst macht. Wo im Körper meldet sich das Angstgefühl? Wo spürst du es am stärksten? Stell dir vor, du nimmst den Körperteil in den Arm. Sträube dich nicht gegen das Gefühl, sondern erlaube ihm, dazu sein. Probiere, dort hin zu atmen. Sag dir, dass das Gefühl wohl einen guten Grund hat. Was will es dir sagen? Dann sag dir: „Es ist nur ein Gefühl. Ich bin nicht das Gefühl. Es ist nicht absolut und immer da. Sondern es kommt, will mir was sagen, und geht dann wieder“.

Vielleicht merkst du, dass schon diese Zuwendung zu dir selbst bewirkt, dass du dich etwas beruhigst und es dir besser geht. Du lernst so, das Gefühl besser auszuhalten, statt es zu vermeiden. Zudem hilft es dir, wenn du eine stabile, lockere Körperhaltung hast. Bitte lies dazu diesen Text darüber, wie du deine Stimmung über den Körper beeinflussen kannst.

Was, wenn ein schlimmes Gefühl bleibt?

Unangenehme Gefühle deuten uns an, wenn wir etwas verändern sollten. Sie sagen uns Sachen wie: „In dieser Beziehung geht es mir nicht gut“ oder „Mein Leben ist zu langweilig" oder „Ich überfordere mich“ oder „Ich werde nicht ernst genommen“ oder „Jemand misshandelt mich“. Das sind alles Situationen, die du verändern solltest. Das ist manchmal sehr schwierig und sehr anstrengend, und vielleicht brauchst du fachliche Unterstützung dabei. Aber du solltest etwas tun: nimm die Gefühle ernst.

Es gibt auch schwierige Situationen, die wir nicht verändern können: Vielleicht hat dich deine Freundin verlassen. Oder ein Familienmitglied ist schwer krank. Oder du hast deinen Traumjob verloren. Oder irgendetwas Schlimmes ist passiert. Du kannst es nicht rückgängig machen. Hier nützt kein Sträuben. Es geht darum, aushalten und akzeptieren, was in dir grad abgeht.

Wie akzeptiere ich meinen Gefühlszustand?

Die Psychotherapeutin Marsha Linehan spricht von „radikaler Akzeptanz“. Sie sagt, dass man das, was ist, nicht mögen muss. Aber man muss es akzeptieren. Denn erst, wenn man das, was ist, akzeptiert, kann man daran arbeiten, weiterzukommen. Das Sträuben hält einen davon ab.

Marsha Linehan weiss das selbst sehr gut: Sie entwickelte ihre erfolgreiche Therapiemethode (Dialektisch-behaviorale Therapie, DBT), nachdem sie selbst mehrere Jahre mit schlimmsten Gefühlszuständen in einer psychiatrischen Klinik war. Sie arbeitet viel mit Achtsamkeitsmeditation. Achtsamkeit heisst, dass du aufmerksam das erlebst, was ist, ohne es zu bewerten. Das ist enorm hilfreich, wenn du Probleme mit Gefühlszuständen und dir selbst hast.

Der Mediziner Jon Kabat-Zinn hat dazu ein ebenfalls sehr erfolgreiches Programm entwickelt, das heisst MBSR (Mindfulness-based stress reduction – zu deutsch Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion). Wenn du die Begriffe Achtsamkeitsmeditation oder MBSR googlest, kriegst die viele Infos und Links zu Anleitungen. Du findest auch Apps dazu. Es lohnt sich, das auszuprobieren!

Was, wenn ich explodiere?

Vielleicht drehst du manchmal richtig durch, explodierst, bist ausser dir. Du sagst und tust dann Dinge, die du nachher bereust. Dein ganzes System läuft auf 180. In so einem Zustand nimmst du dich nicht mehr so gut wahr, und drum hast du dich auch nicht so gut im Griff. Unser Tipp hierzu: Übe, möglichst früh zu spüren, wenn der Kessel zu brodeln beginnt. Zeichen dafür sind zum Beispiel Herzklopfen, Anspannung, Gereiztheit.

Sobald du das spürst, nimm Abstand von der Situation – buchstäblich. Stell dir vor, du sitzt mit jemandem am Tisch. Die Person sagt was, das dich auf die Palme bringt. Du spürst, wie in dir etwas zu brodeln beginnt. Dann wäre es sinnvoll, du sagst: «Ich muss grad mal aufs Klo». Oder «Mir wird es grad zu viel, ich muss ums Haus laufen». Du wirst merken, dass schon das Aufstehen und Rausgehen dir helfen können. Du holst dir so eine kleine Auszeit.

Warum sind Auszeiten so wichtig?

Wenn wir im Stress und in der Aufregung sind, sind wir angespannt. Wir atmen flach, unser Puls schlägt höher. Unser autonomes Nervensystem ist jetzt auf Gefahr eingestellt. Man nennt das auch «Kampf-Flucht-Reaktion». Das ist eine uralte menschliche Überlebensstrategie. Jetzt wollen wir eigentlich drauflosschlagen oder davonrennen. Wir denken nicht mehr ruhig über die Dinge nach, sondern sehen überall Feinde. Wir haben keine offenen Ohren mehr dafür, wenn jemand anderes freundlich mit uns reden will. Wir verspüren unangenehme Gefühle wie Wut oder Angst, die uns sagen, dass wir schnell was ändern müssen.

Stell dir vor, du hast im Streit so eine Reaktion. Oder wenn du vor dem Laptop sitzt und eine überwältigende Email liest. Dein autonomes Nervensystem bereitet dich darauf vor, dass du die andere Person oder den Computer zusammenschlägst oder davonrennst. Beides ist nicht sinnvoll. Eine Auszeit hilft dir, dich wieder zu beruhigen.

Wir empfehlen dir, dass du zum Thema "Kampf-Flucht"-Reaktion diesen Text über das autonome Nervensystem liest. Darin findest du Erklärungen dazu, warum du in bestimmten Zuständen bist, und wie du dich da wieder rausbringst.

Wie komme ich schnell runter?

Eine Auszeit bedeutet, dass du eine Pause machst und dich aus der Situation entfernst. Dabei kann es schon helfen, wenn du deine Körperposition änderst und aufstehst. Vielleicht gehst du dir die eine Tasse Tee machen oder machst ein paar Kniebeugen. Oder du steigst die Treppen in eurem Haus hoch und wieder runter, oder du gehst mal zügig um den Block.

Durch die Bewegung baust du etwas von der Kampf-Flucht-Energie ab. Bewegung lockert dich zudem. Lockerung löst die Anspannung und wirkt Wunder gegen die Kampf-Flucht-Reaktion.

Auch tief Atmen ist enorm wichtig – besonders Ausatmen. Mehr zum Atmen erfährst du in diesen Tipps. Manchmal brauchst du vielleicht eine längere Auszeit. Das kann gut und gern mal zwei Stunden gehen. Wir haben einen Text mit Tipps zu Auszeiten in Liebesbeziehungen geschrieben. Lies den bitte mal.