So manche Auseinandersetzung eskaliert, weil ihr beide darum kämpft, die Zustimmung des anderen zu bekommen. Wenn ihr eure Eigenständigkeit entwickelt, steht ihr mehr auf eigenen Füssen und habt dadurch mehr Spielraum in eurer Beziehung.
Wie kann ich eine gute Liebesbeziehung haben?
Was bedeutet Liebe eigentlich für dich? Eine gute Liebesbeziehung, die auch eine gute sexuelle Beziehung ist, setzt gewisse Dinge voraus, die ihr in eurer Beziehung entwickeln könnt. Eine ganz wichtige Zutat ist Eigenständigkeit. Das heisst, du stehst emotional auf eigenen Füssen und bist nicht von ihm oder ihr abhängig. Eigenständigkeit ist eine lebenslange Entwicklung. Da wird sich also immer wieder was tun bei dir und bei euch.
«Eins sein» wollen treibt auseinander
Zur Liebe gehören Momente, in denen ihr am liebsten eins sein wollt. Und alle Unterschiede geraten in Vergessenheit. Dennoch bleibt ihr voneinander verschiedene Personen. Wenn jedes Anderssein zu grosser Verunsicherung in eurer Beziehung führt, wird immer einer versuchen, dem anderen sein Anderssein auszureden. Und wenn ihr dann nur noch Dinge tut, die den anderen nicht verunsichern, wird euer Spielraum immer kleiner. Das fühlt sich sehr eng an. Und nicht selten nimmt dann der eine oder die andere Reisauss, weil er oder sie keine Luft mehr kriegt.
Eigenständigkeit heisst dein Eigenes pflegen
Eigenständigkeit macht Mut darauf, eigene Interessen zu entwickeln. Eigene Vorlieben. Einen eigenen Freundeskreis. Eigene Fantasien. Eigene Gedanken. Wenn du das hast, wirst du weniger davon träumen, aus der Beziehung auszubrechen, und dann Schuldgefühle entwickeln. Du gibst dich in der Beziehung nicht auf. Du wirst in der Beziehung frei.
Eigenständigkeit heisst Anderssein akzeptieren
Eigenständigkeit macht auch Mut darauf, den anderen in seiner Andersartigkeit zu sehen. Zu akzeptieren, dass es da viel mehr gibt, als er oder sie zeigt. Und das spannend zu finden. Denn wenn du meinst, du kennst einen Menschen durch und durch, dann irrst du dich. Der Fremde steckt auch in ihm oder ihr. Wenn du erkennst und anerkennst, dass dein Partner oder deine Partnerin nicht nur mit dir Geteiltes, sondern auch Eigenes, Fremdes hat, wird er oder sie auch als Sexualpartner interessanter.
Eigenständigkeit heisst sich um sich selbst kümmern
Das Wort «Eigenständigkeit» sagt es ja eigentlich schon aus: Man steht selbst, auf eigenen Füssen. Der andere stützt einen nicht. Stell dir eine Umarmung vor, in der beide ganz nah zusammen sind, aber beide stehen stabil auf ihren Füssen. Wenn der eine gehen würde, würde der andere nicht umkippen. Das ist Eigenständigkeit. Man kann sich notfalls selbst trösten, man sorgt selbst für sein Wohlergehen. Man verlässt sich nicht darauf, dass es der andere für einen tut. Man sieht sich als selbst für sich verantwortlich. Genauso wie man sich nicht um das Wohlergehen des anderen kümmern muss. Eine Liebesbeziehung ist nicht das gleiche wie eine Mutter-Kind-Beziehung.
Eigenständigkeit heisst: Jeder ist für sich verantwortlich
Das ist so wichtig, dass wir es gar nicht oft genug schreiben können: In einer Beziehung ist jeder für sich selbst verantwortlich. Ganz oft probieren Partner und Partnerinnen, einem die Schuld zu geben dafür, dass es ihnen schlecht geht. Nein! In einer gleichberechtigten Beziehung gibt es keine Opfer, nur Freiwillige. Wer ungern bei etwas mitmacht, weil er einem Konflikt aus dem Weg gehen möchte, entscheidet sich dafür, mitzumachen. Er hat eine Wahl! Überleg dir mal, wie oft du findest, der oder die andere lässt dir keine Wahl. Stimmt das wirklich? Wenn ja, dann lies bitte diesen Text über häusliche Gewalt.
Eigenständigkeit verringert die Erwartungen an den anderen
Eigenständigkeit erlaubt, dass der Partner oder die Partnerin nicht mehr so viel erfüllen muss. Die Erwartungen sind nicht so hoch, dass sie eigentlich gar nicht erfüllt werden können. Bei hohen Erwartungen ist es klar, dass du den Partner dann irgendwann schlecht machst. Dahinter versteckt sich auch die Unzufriedenheit mit deiner eigenen Abhängigkeit von ihm oder ihr. Was nicht heisst, dass deine Erwartungen so gering sind, dass du dich mit jedem Partner zufriedengibst.
Eigenständigkeit lässt dich eine Trennung verkraften
Eigenständigkeit bedeutet auch, dass die Welt nicht untergehen würde, dass nicht «alles» kaputt gehen würde, wenn die Beziehung auseinander geht. Lies dazu diesen Text.
Eigenständigkeit erlaubt wichtige Auseinandersetzungen
Eigenständigkeit macht dich auch mutig für Auseinandersetzungen. Denn du kannst dich in einem Konflikt besser selbst trösten. Du könntest dich zum Beispiel fragen, womit du unzufrieden bist. Was würde er oder sie ganz konkret anders machen? Wie könntest du ihn oder sie dazu verführen, daran zu arbeiten? Und was bist du bereit, in Kauf zu nehmen, was nicht?
Eigenständigkeit erlaubt Standfestigkeit
Eigenständigkeit erlaubt dir, Worte nicht nur zu sagen, sondern auch dazu zu stehen und konsequent zu bleiben. Lies dazu bitte unsere Tipps fürs Dating und fürs Verführen.
Eigenständigkeit verbindet
Eigenständigkeit heisst nicht, dass dir dein Partner oder deine Partnerin egal ist und du dir im Grunde jeden Wunsch auch allein erfüllen kannst. Du trittst für deine Wünsche nach Gemeinsamkeit ein. Aber du erzwingst sie nicht. Und du gibst dich auf die Dauer auch nicht mit einem «Na gut, dir zuliebe mach ich es halt» zufrieden. Beide machen freiwillig mit, wenn sie wollen. Das macht Lust auf mehr. Eigenständigkeit führt also zu mehr Gemeinsamkeit.
Wie werde ich eigenständiger?
Du fragst dich jetzt sicher: «Wie werde ich eigenständiger?» Indem du viel in die Selbstliebe und Selbstpflege investierst. In dem du dich auf Suche nach deinen Interessen und Besonderheiten machst und diese pflegst. Indem du übst, dir selbst Geborgenheit zu schenken und dich selbst zu beruhigen. Indem du dir selbst eine liebende Bezugsperson wirst. All das gibt dir die Sicherheit, das stabile Rückgrat und den festen Stand, den du für eine glückliche Liebesbeziehung brauchst, in der du dich nicht selbst aufgibst. Das braucht Übung. Falls du gern liest und auch anspruchsvolle Bücher, könnte dich das Buch «Die Psychologie sexueller Leidenschaft» (Orignaltitel: «Passionate Marriage») von David Schnarch interessieren. Da sind auch viele Beispiele und Tipps drin.