Ich und die anderen / Wie komme ich mit mir und anderen besser klar?:
Jedes Gefühl breitet sich auch in deinem Körper aus. Deshalb kannst du lernen, deine Gefühlszustände und deine Stimmung deinen Körper zu beeinflussen.
Was haben Gefühle mit dem Körper zu tun?
Jedes Gefühl macht sich in deinem Körper breit. Und dort kannst du es auch am besten fühlen. Wenn du Angst hast, kann es sein, dass sich deine Brust eng und deinen Bauch mulmig anfühlt. In der Wut spürst du vielleicht, dass dein Kiefer und dein Nacken ganz hart werden. Du merkst vielleicht auch, dass deine Gefühle mit deiner Atmung zusammenhängen. Wenns dir gut geht und wenn du entspannt bist, atmest du viel tiefer, als wenn du Angst, Wut oder sonst ein stressiges Gefühl erlebst. So wie du die Gefühle im Körper spürst, kannst du sie auch über deinen Körper beeinflussen: über deine Haltung, deinen Gesichtsausdruck, über Bewegung, Muskelspannung und deine Atmung.
Weitere Tipps zum Kennenlernen deiner Gefühle liest du in diesem Text.
Warum führt Anspannung zu unangenehmen Gefühlen?
Wenn angespannt bist und kurz atmest, versetzt das den Körper in einen Zustand von Stress, und dein System wittert Gefahr. Denn eigentlich reagiert der Körper in Gefahr mit Anspannung und Kurzatmigkeit. Jetzt macht sich dein autonomes Nervensystem bereit, zu kämpfen oder zu fliehen. Mehr dazu erfährst du
Dieser Zustand ist verbunden mit unangenehmen Gefühlen wie Wut, Angst, Ekel oder Scham. Dein Kopf wird wachsam und wittert überall Gefahr und Feinde und will sich in Sicherheit bringen. Deine Gedanken werden kritischer und wertender – es geht darum, abzuschätzen, was gut und was schlecht ist. Diese kritischen Gedanken kannst du gegenüber anderen haben und auch gegenüber dir selbst.
Damit du das besser verstehst, empfehlen wir dir diesem Text.
Wie komme ich aus der Anspannung raus?
Sobald du ruhiger atmest und deine Muskeln nicht mehr so angespannt sind, ist die Gefahr gebannt, dass du vor Wut «platzt» oder dich in eine Panikattacke steigerst. Für das Entspannen der Muskeln gibt es verschiedene Tricks. Der beste ist: Lockere Bewegung. Muskeln, die du bewegst, sind eben nicht verkrampft. Vielleicht hast du selbst schon gemerkt, dass es dir besser geht, wenn du spazieren gehst oder einen Sport treibst, bei dem dein ganzer Körper in Bewegung ist. Tanzen kann auch Wunder wirken – völlig frei nach Lust und Laune zuhause oder im Club, oder beim Paartanz. Sehr geeignet sind auch Yoga, T'ai Chi oder fernöstliche Kampfsportarten, denn sie fördern dein Körperbewusstsein. Schau doch mal, was dir liegt.
Ausserdem kannst du die Anspannung über das Atmen sehr gut verbesern. Zur ganz schnellen Beruhigung ist unser Tipp: ganz lang ausatmen. So lang bis nichts mehr raus geht. Wenn du wirklich ganz leer bist, lass die Luft wieder reinströmen. Mach das ein paar mal hintereinander. Warum Ausatmen so wichtig ist, erfährst du in diesen Tipps.
Wir empfehlen dir auch sehr diese Tipps dazu, wie du dich beruhigen kannst.
Was, wenn ich einfach nur leer und schlapp bin?
Vielleicht fühlst du dich nicht angespannt, sondern schlapp, hilflos, hoffnungslos, leer – oder gar richtiggehend depressiv. Was ist da passiert? Dein autonomes Nervensystem hat dich vor lauter Stress auf "Abstellen" oder "Totstellen" eingestellt. Da spürt man weniger, was in ganz schlimmen Situationen hilfreich sein kann – aber es geht auch nichts mehr. Aus diesem Zustand kommt man durch ganz allmähliche Aktivierung wieder heraus.
Angenommen du sitzt da und nichts geht mehr. Dann hilft es schon, wenn du deine Finger oder Zehen abwechselnd ausstreckst und zusammenrollst. Wenn du das ein Weilchen gemacht hast, kannst du das Unterbein oder den Unterarm auf und ab bewegen. Und schliesslich beide Arme über dir Kreisen. Und dann aufstehen. Herumgehen. Mit den Füssen herumstampfen. Zunge rausstrecken und Bää sagen. Dich dehnen, strecken, hüpfen... Wahrscheinlich wirst du merken, dass du dich dann aktiver fühlst und nicht mehr so hilflos.
Auch eine aktivierende Atmung kann helfen, dich aus dem Loch herausziehen. Dafür empfehlen wir dir diese Tipps.
Auch über diesen Zustand erfährst du mehr in unserem Text über das autonome Nervensystem. Es ist eine starke Aktivierung des dorsalen Vagus. Du kommst allein am besten raus durch leichte Aktivierung deines Sympathicus.
Wie mache ich meine Stimmung besser?
Setz dich mal zusammengekauert auf den Stuhl. Zieh die Schultern hoch und die Mundwinkel runter. Schau nach unten. Atme flach. Und jetzt sag dir "Mir gehts gut!" Glaubst du dir?
Jetzt setz dich aufrecht hin, so dass der Kopf in einer geraden Verlängerung vom Rücken ist und du den Nacken nicht anstrengen musst. Jetzt hat dein Oberkörper mehr Bewegungsfreiheit und du kannst besser atmen. Lass die Schultern locker. Beide Füsse sind auf den Boden. Atme langsam und ruhig und zieh die Mundwinkel leicht nach oben. Du kannst auch beide Arme auf deine Beine legen, mit den Handflächen nach oben. Jetzt sag dir "Mir gehts gut!" Wahrscheinlich glaubst du dir jetzt eher.
Du siehst also: Du kannst mit ein paar Änderungen an deiner Körperhaltung, deiner Spannung, deiner Atmung und deinem Gesichtsausdruck ganz viel an deiner Stimmung beeinflussen.
Ein fester Stand unten, Lockerheit oben
Damit wir sicherer im Leben sind, ist es sinnvoll, dass wir gut Boden unter den Füssen spüren. Wenn du die Beine ständig irgendwie überkreuzt, fehlt dir das. Probier dir anzugewöhnen, dass du sie wenn möglich auf dem Boden hast – besonders in schwierigen Situationen. Damit du die Füsse und den Boden gut spürst, brauchst du Lockerheit im Oberkörper. Denn wenn der völlig angespannt ist, spürst du nicht mehr so gut runter bis zu den Füssen.
Wenn der Rücken nicht gebeugt ist, können die Muskeln am Rumpf am besten entspannen. Vielleicht kannst du dir angewöhnen, den Oberkörper immer ein bisschen zu bewegen. Du kannst dich räkeln, leicht hn und her schwingen oder deine Wirbelsäule mit der Bauchatmung mitgehen lassen. Diese Lockerheit macht, dass du in eine gelassene, offene, "positive" Haltung kommst. Du bist dann viel besser auf schwierige Probleme und Situationen vorbereitet als wenn du voll angespannt bist.
Möglicherweise hast du jetzt schon den Text über das autonome Nervensystem gelesen. Dann vermutest du wahrsscheinlich schon richtig: So aktivierst du deinen ventralen Vagus.
Wenn ich ein Baum wäre...
Hier ist eine kleine Übung, die wir dir sehr empfehlen: Zieh die Schuhe aus und stell dich an einem ruhigen Ort hin. Stell dir vor, du wärest ein Baum. Was hat der für Wurzeln? Spür, wie diese Wurzeln von deinen Fusssohlen aus in den Boden gehen. Dann stell dir den Stamm vor. Wie sieht der aus? Wie dick ist er? Wo beginnen die ersten Äste? Wie sehen die Äste aus? Wo beginnen die Zweige? Wie sieht die Krone des Baums aus? Was hat er für Blätter oder Nadeln? Stell dir vor, dass der Baum unten ganz stabil und nach oben immer flexibler und beweglicher ist.
Dann stell dir vor, es kommt ein Wind. Beginne dich in diesem Wind zu bewegen. Der Wind geht durch dich durch, mit jedem Einatmen holst du ihn rein, mit jedem Ausatmen gibst du ihn wieder ab. Du spielst mit dem Wind. Vielleicht wird er stärker. Ein richtiger Sturm. Schau mal wie der dich in Bewegung bringt. Dein Stamm hält das aus. Und deine Wurzeln auch. Spiel mit dem Sturm. Dann wird der Wind langsam ruhiger, und am Schluss ist es wieder still. Spür dem Wind nach. Spür deinen Stamm, deine Wurzeln, deine Sicherheit unten und deine Lockerheit oben.
So kannst du als Person sein: In den Füssen und Beinen gut verwurzelt und stabil, und im Oberkörper flexibel und locker. Vielleicht hilft dir das, wenn du immer an das Bild vom Baum denkst.
Weiterführende Angebote
Falls du mit fachlicher Unterstützung etwas machen möchtest, damit du deine Stimmung über den Körper positiv beeinflussen kannst – ja, da gibts viele Möglichkeiten. Zum Beispiel einen MBSR (mindfulness based stress reduction)-Kurs. Oder eine Körpertherapie, eine Atemtherapie, oder Feldenkrais. Es gibt sehr viele Angebote. Wir finden, es lohnt sich da zu investieren.