Die Urteilsfähigkeit einer Person hängt weniger von ihrem Alter als von ihren Erfahrungen ab. Heute geht man davon aus, dass Jugendliche nicht erst ab der Pubertät urteilsfähig sind.
Was ist Urteilsfähigkeit?
Du giltst als urteilsfähig, wenn du in einer Situation «vernunftgemäss» handeln kannst. Das heisst, du erkennst den Sinn und den Zweck einer Handlung. Du begreifst, was dein Verhalten für Folgen haben kann. Und du handelst so, dass du diese Folgen vernünftig berücksichtigen kannst. In der Schweiz wird die Urteilsfähigkeit im Artikel 16 des schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) klar beschrieben.
Wer ist nicht urteilsfähig?
Es kann sein, dass jemand einfach noch zu jung ist, um etwas gut zu beurteilen. Oder jemand hat eine geistige Behinderung oder eine psychische Störung oder ist unter starkem Drogeneinfluss. All das kann dazu führen, dass die Person nicht fähig ist, eine Situation gut zu beurteilen und vernunftgemäss zu handeln.
Ab wann bin ich urteilsfähig?
In der Schweiz, in Deutschland und in Österreich ist nicht festgelegt, ab welchem Alter du urteilsfähig bist. Im Schweizer Gesetz steht zwar, dass eine Person «wegen ihres Kindesalters» nicht urteilsfähig sein kann, aber es ist nicht klar bestimmt, was das genau für ein Alter ist. Die Urteilsfähigkeit hängt eben auch weniger von deinem Alter als von deinen Erfahrungen ab. Es geht mehr darum, ob du reif genug bist, um «vernunftgemäss» zu handeln. Wenn du zwischen 12 und 16 bist, wird man im Gespräch mit dir feststellen, ob du urteilsfähig bist. Wenn du 16 und älter bist, geht man davon aus, dass du urteilsfähig bist. In Österreich wird im Zweifelsfall vermutet, dass du mit 14 Jahren urteilsfähig bist. In Deutschland gibt es kein fixes Alter.
Wie beurteilen Menschen die Urteilsfähigkeit?
Stell dir vor, dass du zum Beispiel unter 14 bist und dich von einem Arzt oder Ärztin behandeln lässt. Dann beurteilt er oder sie, ob du Sinn und Folgen der Behandlung beurteilen kannst. Die Ärztin oder der Arzt beurteilt dabei auch, ob du für einen Teil der Behandlung selbst Verantwortung übernehmen kannst. Er oder sie überprüft beispielsweise, ob du ein Medikament regelmässig selbstständig einnehmen kannst.
Bin ich immer urteilsfähig?
Es kommt auf die Situation an, ob du als urteilsfähig giltst. Wer etwa stark betrunken ist, kann in seiner Urteilsfähigkeit eingeschränkt sein. Ein Mensch mit geistiger Behinderung kann im Supermarkt einkaufen. In dieser Situation kann er als urteilsfähig gelten. Er kann aber nicht einen Vertrag abschliessen, bei dem es um viel Geld geht. Hier müssen seine gesetzlichen Vertreter zustimmen. Nur bei schwerstbehinderten oder demenzkranken Menschen sagt das Gesetz, dass sie grundsätzlich nicht urteilsfähig sind.
Urteilsfähig heisst noch nicht handlungsfähig
Wenn du noch nicht 18 Jahre alt bist oder einen Beistand hast, brauchst du für vieles noch die Zustimmung deiner Eltern oder deiner gesetzlichen Vertreter. Denn du giltst als (noch) nicht handlungsfähig. Handlungsfähig heisst, dass du mit dem, was du machst, rechtlich wirksam bist (Handlungsfähigkeit nach Schweizer Recht, deutschem Recht und österreichischem Recht).