Hallo liebes Lilli-Team,
ich (w24) habe euch schon einmal eine Frage gestellt und eine tolle Antwort bekommen, vielen Dank dafür! Nun habe ich eine weitere Frage, und zwar zum Thema Selbstbewusstsein:
Ich verstehe mich manchmal hinsichtlich dieses Aspektes selbst nicht. Im Grundsatz würde ich mich schon als "normal selbstbewusst" beschreiben. Ich traue mir z.B. zu, nahezu jede Fähigkeit zu erlernen und würde niemals denken: "Das kann ich nicht, ich habe zwei linke Hände" oder ähnliches. Auch habe ich einen großen Freundeskreis, der mir sehr wichtig ist und bekomme auch von vielen Menschen positive Rückmeldungen zu meiner Person, aus denen ich erkenne, dass ich gemocht und geschätzt werde. Ich kenne auch meine Werte und meinen Charakter und weiß im Grundsatz, was ich will und was nicht.
Folglich erlebe ich Phasen, in denen mein Selbstbewusstsein eigentlich ganz gut ausgeprägt ist.
Dennoch erlebe ich auch immer wieder Momente, in denen ich mich extrem unsicher fühle und sich dass auch in meinem Verhalten widerspiegelt (z.B. werde ich ruhiger, rede nicht mehr so viel und dann auch teilweise so, dass ich meine Sätze oft korrigiere und mich verspreche, was wahrscheinlich auf andere sehr unsouverän wirkt).
Solche Momente sind z.B., wenn ich Menschen begegne, die nach außen hin sehr selbstsicher und dominant wirken. Ich merke dann richtig, wie mich das triggert und wie ich mich automatisch innerlich "klein" mache und als unterlegen wahrnehme. Ich denke dann irgendwie unterbewusst, dass diese Menschen so "toll" und stark und tough sind, dass ich mich mit ihnen eh nicht messen kann, sie ohnehin mehr Aufmerksamkeit bekommen als ich und ich zur Randfigur werde. Auch befürchte ich, dass mich diese Menschen selbst aufgrund meines innerlichen "Kleinmachens" nicht anerkennen und mich als langweilig und uncool abstempeln.
Rational weiß ich natürlich, dass hinter solchem Auftreten noch lange keine wahre Souveränität stecken muss, so nach dem Motto "Große Klappe nix dahinter", aber wenn ich die Person nicht so gut kenne, neige ich dazu, dem ersten Anschein natürlich Glauben zu schenken.
Es gibt auch andere Situationen, in denen mich mein Selbstbewusstsein verlässt, z.B. in Situationen, in denen ich Grenzen setzen und mich verteidigen muss, vor allem verbal. So habe ich z.B. gegenüber meinem Ex-Freund nichts gesagt, wenn er mich schlecht behandelt hat, aus Angst, einen Streit anzufangen, den ich meiner Meinung nach eh nicht gewinnen könnte.
Ich weiß, dass so ein Verhalten gefährlich ist, weil man dem Missbrauch in einer Beziehung so Tür und Tor öffnet, und habe auch Angst, dass mir das in einer zukünftigen Beziehung wieder passiert, weiß aber nicht wirklich, wie ich daran arbeiten kann.
Auch in meiner Kindheit und Jugend gab es Situationen, in denen ich mich als unfähig erlebt habe, mich gegen Angriffe von anderen zu verteidigen (von Mobbing bis hin zu einfachen blöden Kommentaren oder "asozialem" Verhalten anderer).
Insgesamt erlebe ich mein Selbstbewusstsein so als extrem schwankend: es hat sich ausgehend von der Pubertät stark verbessert, dennoch gibt es eben immer noch Situationen, die mir, wie oben beschrieben, zu schaffen machen.
Mit den oben geschilderten "Phänomenen" habe ich auch schon seit Jahren zu kämpfen, aber finde dennoch keine Lösung.
Könnt ihr mir diesbezüglich Tipps geben?
Und bitte entschuldigt die lange Frage...
Unsere Antwort
Bei solchen Fragen rund um das Selbstbewusstsein und die Selbstbehauptung in Beziehungen steckt die Ursache aus meiner Erfahrung immer in der Vergangenheit. Genau genommen steckt sie in der Kindheit und bei den Beziehungen mit den Bezugspersonen von damals. In deinem Fall würde ich nach Erfahrungen suchen, wo du gegenüber dominanteren, selbstbewussteren Menschen keine Chance hattest, keine Aufmerksamkeit bekamst und zur Randfigur wurdest. Oder wo du dich nicht verteidigen konntest? Gab es da in der Familie irgendsolche Erfahrungen? Oder sonst bei nahen Bezugspersonen? Oder hat dir eine nahestehende Person vorgelebt, dass man keine Chance gegen toughe Menschen hat? Welche Rolle haben deine Eltern gespielt? Was haben sie getan, um dich zu stärken? Wie sind sie mit den Mobbing-Situationen umgegangen?
In fast jeder Kindheit verstecken sich traumatische Erlebnisse. Nach aussen kann das subtil und "normal" erscheinen. Aber im kindlichen Erleben können derartige Beziehungserfahrungen an die Nieren gehen - je jünger das Kind, desto mehr geht es da gefühlt um Leben und Tod. Schau mal diesen Text über die Suche in der familiären Vergangenheit an.
Vielleicht kommst du so schon etwas weiter. Gern kannst du uns deine Gedanken zu meinen Gedanken schreiben. Gib dann einfach die Nummer dieser Frage an.
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