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Frage Nr. 38545 von 05.07.2024

Hallo liebes Lilli-Team
Zuerst einmal vielen Dank für eure wertvolle Arbeit. Ich habe schon oft auf eurer Website hilfreiche Tipps und Infos gefunden – für mich und auch für mein inzwischen erwachsenes Kind.
Jetzt habe ich eine Frage zu meiner Beziehung und Sexualität. Ich bin eine Frau und 53 Jahre alt. Seit über 4 Jahren habe ich einen Freund und bin meist sehr glücklich mit ihm. Davor war ich lange in einer Beziehung in der mein Bedürfnis nach Sex zu kurz kam. Die Trennung war nicht einfach, da wir zusammen ein Kind haben. Aber ich bin sehr froh um diesen Schritt, es geht mir viel besser seit ich meine Bedürfnisse ernster nehme.
Ich habe mich immer für Sex interessiert und habe über all die Jahre viel dazu gelernt, z.B. auch durch das Buch von Dania Shiftan. Ich kam mit meinem Freund auch schon zu einem „vaginalen Orgasmus“, das ist aber eher noch selten, ohne dass ich mich auch an der Klitoris streichle. Ich habe Sex noch nie so erfüllend erlebt wie mit meinem Freund. Emotional und körperlich.
Wir sind beide meistens schnell erregt. Wir nehmen uns viel Zeit und ich habe sehr schöne Gefühle. Sein Penis ist erstaunlich lange erigiert, es ist sehr schön, ich spüre viel mehr in meiner Vagina als früher.

Manchmal brauche ich aber etwas lange bis ich zum Orgasmus komme. (Vor unserer Beziehung war mein Freund mit einer Frau zusammen, die sehr leicht und schnell zu einem Orgasmus gekommen ist.)
Ich glaube es gibt verschiedene Gründe, dass es bei mir manchmal länger dauert: Belastende Gedanken, die mich ablenken (u.a. hat meine Schwester Krebs), Müdigkeit, vielleicht auch Hormonschwankungen (meine Mens hab ich nur noch selten) und einen Druck, den ich mir selber mache, weil ich zu sehr daran denke einen Orgasmus zu bekommen (und nicht zu lange dafür zu brauchen und auch eine alte Angst „zu kurz zu kommen“ vielleicht). Manchmal denke ich auch, dass es ohne streicheln von der Klitoris gehen sollte, wahrscheinlich ist das in meinem Unterbewusstsein, ich schäme mich wie, dass ich das „brauche“. Dabei weiss ich, dass das ein längerer Lernprozess ist und dass mein Orgasmus nicht „weniger wert“ ist wenn ich dazu auch die Klitoris streichle. Manchmal bin ich lange sehr erregt und es fehlt einfach das „letzte Stück“. Manchmal bin ich kurz davor und dann spüre ich wie mein Freund „bremst“, also dass er sich nur noch wenig bewegt. Es ist wie wenn sich meine Lust auf ihn „überträgt“ und er möchte mich dann aber nicht „überholen“. Wenn diese schönen Bewegungen plötzlich langsamer werden/stoppen, ist es schwierig für mich, meine Lust einfach weiter bis zum Orgasmus zu steigern. Zudem habe ich dann das Gefühl, dass ich mich auch nicht mehr zu stark bewegen darf, damit ich bei ihm den Orgasmus (noch) nicht auslöse.
Letztes Mal sagte er zu mir, dass wir vielleicht nicht zusammen passen. Ich glaube es verunsichert ihn und er hat das Gefühl, dass er irgendetwas nicht „richtig“ macht. Ich habe ihm versichert, dass ich es sehr schön finde mit ihm und es nicht an ihm liegt. Das hat er mir nicht geglaubt. Das macht mich sehr traurig.
Ich sehe es so, dass man immer dazu lernt und gemeinsam weiter erforscht was schön ist – und nicht, dass man zusammen passt oder nicht. Jeder Mensch entwickelt sich weiter. Wie seht ihr das?
Und habt ihr Tipps für mich wie ich weniger an den Orgasmus denke und es einfach geschehen lasse? Ich würde gerne alles viel leichter nehmen.

Unsere Antwort

Erstmal: Du bist eine sexuell sehr gut "funktionierende" Frau. Und es ist eindrücklich, was du für eine sexuelle Entwicklung gemacht hast.

Du beschreibst eine sehr schöne Sexualität mit deinem Partner. Es ist wirklich schade, wenn du deine gute und schöne Sexualität so durch deine Haltung störst. So sehe ich deine Haltung: Du findest, der Sex muss mit dem Orgasmus enden, und der Orgasmus muss auf eine bestimmte Weise (vaginal) und zu einem bestimmten Zeitpunkt (beim Sex mit dem Partner) passieren. Du merkst selbst, wie du dich durch diese Haltung hemmst und dir selbst die sexuelle Lust wegnimmst. Ein Orgasmus braucht aber nicht nur sexuelle Erregung, sondern auch Lustgefühle.

Zum Thema "vaginal" versus "klitoral": Es gibt eine Studie, die herausgefunden hat, dass Frauen Orgasmen intensiver erleben, wenn sie sowohl Vagina als auch Klitoris stimulieren. Warum willst du dir das eine vorenthalten? Das wäre, wie wenn du sagst: "Auf mein Essen darf nur Salz kommen, aber kein Pfeffer". Oder umgekehrt. Warum? Bitte lies diesen Text über "klitorale" und "vaginale" Orgasmen.

So wie du das beschreibst, überträgst du deinen Stress auf deinen Partner. Oder ist er derjenige, der darauf pocht, dass ihr beide einen Orgasmus habt? Wie kam es dazu, dass dein Freund gesagt hat, dass ihr vielleicht nicht richtig zusammenpasst? Ging es darin über den Orgasmus? Was waren seine Begründungen, warum ihr vielleicht nicht zusammenpasst? Hier müsste ich mehr wissen.

Mein Rat an dich ist, dass du deinem Freund sagst, dass du dir zuviel Stress rund um den Orgasmus gemacht hast, und dass du eine neue Richtung einschlagen möchtest. Nämlich: "Der Weg ist das Ziel". Ich würde dir empfehlen, dir vorzunehmen, beim Sex mit deinem Partner keinen Orgasmus zu haben. Das kannst du ihm sagen – mit der Begründung, dass du dich auf das lustvolle Erleben konzentrieren möchtest. Wenn er dir nicht glaubt, liegt das möglicherweise an seiner Erfahrung mit dir. Da ist es sinnvoll, wenn du Taten sprechen lässt.

Für deinen Partner ist es auch sinnvoll, wenn du ihm mitteilst, dass er dir keinen Orgasmus macht, sondern dass das deine eigene Sache ist. Bitte lies dazu diesen Text.

Wie kannst du weniger an den Orgasmus denken und es einfach geschehen lassen? Hier würde ich auch eine körperliche Intervention empfehlen. Diese heisst: Bewegung des Oberkörpers. Dazu findest du in diesem Text Tipps. Ebenfalls finde ich es sinnvoll, wenn du darauf achtest, dass du mit dem Bauch atmest. Dazu findest du in diesem Text Tipps. Warum sind diese Interventionen hilfreich? Es geht um dein autonomes Nervensystem, das du so beruhigen kannst. Du kommst so eher zu einer ergebnisoffenen Haltung und einem lustvollen Erleben. Hierzu empfehle ich dir diesen Text.

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