Liebes Lilli-Team
Aufgrund eines Umzuges benötigte ich Möbel aus dem Tessin, wo auch mein Onkel wohnt. Mein Vater kam auch mit. Unser Verhältnis ist komplex (…), jedoch war ich sehr dankbar über die unerwartete Hilfe. Während des Umzugs kam es zu Übergriffen seitens meines Onkels. Ich bin zudem von meiner Vergangenheit komplex traumatisiert. Ich lächelte noch, Hauptsache man mag mich. Mein Vater bekam es mit, aber nur die harmlosen Dinge und riet mir kein Kleid zu tragen, wenn wir das nächste Mal ins Tessin gehen. Ich habe schwere Bulimie im anorektischen Bereich die sich stark verschlimmerte, aber das Ganze kam erst Tage danach wieder „Hoch“, als man die „harmlosen“ Dinge erfragte, da auch der Umzug alles abverlangte. Ich kann mich selbst nicht mehr ertragen. Ich lächelte, tat alles, wie kann man nur? Und ich denke, ich kann mich auch weiterhin nicht abgrenzen und bin in einer Abhängigkeit… Ein „Ausstieg“ ist unmöglich, das vorne weg… Ich weiss wirklich nicht weiter…
Jeder kleine Tipp würde mir helfen.
Ganz lieben Dank.
Unsere Antwort
Du schreibst von einer komplexen Beziehung zu deinem Vater. Zu dem Onkel scheint sie ebenso schwierig zu sein. Unser Wunsch für dich wäre, dass du solche Situationen gar nicht mehr erlebst. Und wenn doch, dass Leute da wären, die klar sehen und benennen, was du erlebst. Dein Kleid ist nicht das Probelm. Dein Onkel begeht Straftaten. Ich gehe davon aus, dass du in psychotherapeutischer Behandlung bist. Falls nicht, lege ich dir die Opferhilfestellen ans Herz. Dort findest du persönliche Beratung. Es werden dir aber auch Psychotherapeut*innen vermittelt. Auch juristische Schritte und finanzielle Wiedergutmachung könnten geprüft werden. Auf jeden Fall solltest du dich psychotherapeutisch begleiten lassen, damit du lernst dich zu ertragen.
Du hast dir wohl ein Standard-Lächeln angewöhnt, um die Lebenserfahrung erträglich zu machen. Inzwischen erleben dich wahrscheinlich viele Leute als Sonnenschein. Du hast dich so für andere erträglich gemacht, für dich selbst steigert sich die Unerträglichkeit eher. Du verbannst die Spannungen, die entstehen, in deine Innenwelt. Dazu kommt, dass man dich mit deinem Lächeln nicht mehr so gut lesen kann. Dadurch fühlst du dich manchmal/oft/immer nicht gut genug verstanden.
Ich finde, es wird Zeit, dass du unterscheiden lernst, wer die Untaten begeht und wer unter ihnen leidet. Auch wenn du noch in Abhängigkeiten steckst und dir einen Ausstieg nicht vorstellen kannst. Lass dich zumindest von einer Beraterin oder Therapeutin begleiten. Du hast viel ertragen. Überleg mal, ob du deine Kraft etwas sturer als jetzt für dich selbst nutzen kannst. Vielleicht findest du einige Tipps im Kapitel «Verarbeitung von Trauma und Gewalt».
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