Nicht jeder redet gleich gern über seine Probleme. Vielleicht hat die Person Angst, dass du sie ausnützt. Oder sie muss erst ihre Gedanken ordnen. Oder die Person hat Angst, dass du ausrastest.
Warum ist bohren nicht sinnvoll?
Stell dir folgendes Gespräch vor:
«Was hast du?», fragst du.
«Nichts», antwortet die andere Person.
«Nichts? Ich merk doch, dass du grübelst!»
«Ich denke einfach nach.»
«Worüber denn? Du kannst mir alles erzählen!»
«Ich will jetzt nicht darüber reden.»
«Warum nicht? Hat es was mit mir zu tun?»
«Nein, ich will jetzt einfach nicht reden.»
«Komm, sag schon!»
«Ich will jetzt nicht! Lass mich bitte einfach in Ruhe!»
«Nie redest du!»
Warum hat die eine eErson gebohrt? WAhrscheinlich, weil sie Angst hat, dass die andere Person irgend etwas verheimlicht, und dass das eigentlich gegen sie selbst gerichtet ist.
Wenn du bohrst, und die andere Person nicht reden will, heisst das noch lange nicht, dass ihr Streit miteinander habt. Und es heisst auch nicht unbedingt, dass sie dich mit Schweigen strafen will. Auch wenn sich das so anfühlt. Trotzdem zieht die Person sich zurück. Warum? Reden heisst für sie nicht unbedingt das Gleiche wie für dich. Sie denkt vielleicht ganz anders darüber, wie sich Probleme lösen lassen.
Ist das Schweigen ein Männer-Thema?
Vielleicht findest du, Frauen reden gern über das, was in ihnen abläuft, und Männer nicht. Vielleicht findest du, Männer lösen ihre Probleme gern allein, Frauen suchen mehr das Gespräch. Das kann sein, dass das häufiger so ist. Aber allein am Geschlecht liegt es nicht, wie gern du redest. Es gibt Männer, die sich nichts Schöneres vorstellen können, als über ihre Innenleben zu reden, während das für manche Frauen der Graus ist.
Wieso sind Geschlechterklischees nicht hilfreich?
Also schau mal ganz unabhängig von Geschlechterklischees, wie es dein Partner oder deine Partnerin hält. Schliesslich geht es nicht darum, dass ihr die Beziehung von anderen nachlebt. Vielleicht wechselt es auch je nach Situation, wer wann von euch lieber spricht.
Wieso glaube ich, dass Reden die Lösung ist?
Angenommen, dein Partner fühlt sich wie ein Versager in der Schule oder Arbeit. Wenn das dir so gehen würde, würdest du ihm sofort dein Herz ausschütten. Weil das Reden über Probleme dir bestätigt, dass du nicht allein bist und dass andere dir beistehen.
Warum kann sich Reden gefährlich anfühlen?
Um im Beispiel zu bleiben: Er hingegen findet es grundsätzlich gefährlich, so offen mit jemand anderem über sich zu reden. Denn er findet, du kannst ihn besser angreifen, wenn er sein Innenleben so preisgibt. Du weisst dann schliesslich, was seine Schwachpunkte sind. Er fühlt sich stark und überlebensfähig, wenn er seine Gefühle beherrscht und allein mit ihnen klarkommt.
Warum brauchen manche Leute Zeit, bis sie reden?
Manche Menschen ordnen ihre Gedanken beim Reden. Vielleicht gehörst du zu denen. Sie reden also, um klarer zu denken. Andere Leute müssen erst mal in ihrem Gehirn Ordnung schaffen. Vielleicht schwirrt durch deinen Kopf ständig ein Kunterbunt von Gedanken und Gefühlen, und du findest das normal und ok. Manch andere Menschen finden das viel zu chaotisch und vage. Sie müssen ihre Gedanken erst verstauen und ordnen, bevor sie reden. Sonst würde sie das Reden nur verwirren.
Wieso sollte ich akzeptieren, wenn der andere Zeit braucht?
Wenn dir dein Partner oder deine Partnerin also sagt: «Ich kann darüber noch nicht reden», dann ist es ratsam, wenn du nicht bohrst. Wenn du keinen Druck ausübst, öffnet sich die andere Person dir eher.
Wie kann ich der anderen Person Lust auf Reden machen?
Das erste ist, dass du der anderen Person Zeit lässt, bis sie so weit ist, dass sie reden möchte. Und wenn sie dann tatsächlich mal anfängt, hörst du am besten einfach zu. Kein Mensch hört gern deine Ratschläge, um die er dich nicht gebeten hat. Und dann hörst du vielleicht Dinge, die du nicht hören wolltest: Er oder sie hat sich was total Blödes geleistet. Oder hat irgendwas überhaupt nicht im Griff. Oder sagt sonst etwas, das überhaupt nicht in dein Bild des idealen Partners oder der idealen Partnerin passt.
Wie gehe ich mit Dingen um, die ich nicht hören möchte?
Jetzt heisst es: ruhig bleiben! Wenn du zeigst, dass du mit dem Gesagten nicht umgehen kannst, wird er oder sie beim nächsten Mal noch hartnäckiger schweigen. Also mach dir zur Regel «Langsam aus- und einatmen, auf hundert zählen und sachlich und neutral bleiben.»