Du lebst in deiner Beziehung mit ständiger Kritik. Hier kannst du nachlesen, wann Kritik eher gerechtfertigt ist und wann nicht, und was du tun kannst.
Warum sind Partner*innen wichtige Kritiker?
In der Regel hören Menschen nicht gern Kritik. Schau dir diese Tipps an, da siehst du, wie man die Chancen erhöht, dass der Partner*die Partnerin sie anhört. Dummerweise äussern Menschen oft in Wut Kritik, und da kommt sie sehr oft verletzend rüber. Auch wenn sie eigentlich berechtigt ist.
Es kann also sein, dass deine Partnerin*dein Partner Punkte an dir kritisiert, die tatsächlich nicht in Ordnung sind. Es ist deshalb eine gute Idee, wenn du mit Freund*innen oder anderen vertrauten Personen besprichst, wegen was du kritisiert wirst. Sag diesen Leuten, dass du eine ehrliche Meinung hören möchtest. Das ist gar nicht so selbstverständlich. Denn sie wollen dich nicht verärgern. Ausserdem haben sie unter Umständen nicht so viel mit dir zu tun und kennen deine "stinkenden Socken" nicht so gut.
Denn so ungern wir das in der Regel zugeben: Partner*innen kennen uns verdammt gut. Wenn sie auf wunde Punkte drücken, dann sind das oft Punkte, vor denen wir selbst gern die Augen verschliessen. Wir sehen uns gern in einem Licht, in dem wir eher nett und eher selbstlos handeln. Niemand gibt gern zu, dass er eigennützig oder in böser Absicht handelt. Aber du wärest der erste Mensch, der das nicht mitunter auch tut. Und dein Partner*deine Partnerin ist die Person, die dir das mit der Faust aufs Auge drückt.
Warum ist an Kritik am Verhalten eher was dran?
Du könntest grundsätzlich hellhörig sein, wenn dein*e Partner*in dein Verhalten kritisiert und nicht deine Person. Das hört sich dann so an: "Nie räumst du deine Sachen aus dem Weg!" oder "Immer kommst du zu spät!" oder "Du denkst immer zuerst an dich!" Das mit dem "nie" und "immer" stimmt zwar nicht, aber es ist gut möglich, dass du tatsächlich die Tendenz hast, Sachen rumliegen zu lassen oder zu trödeln oder die Bedürfnisse des anderen schnell mal zu übersehen. Dein*e Partner*in kriegt das dauernd mit, und da hat sich Frust angestaut.
Daher: Egal wie ungeschickt dein Partner*deine Partnerin die Kritik äussert, es wäre möglicherweise gut, du würdest was tun, um diese Verhaltensweisen zu ändern. Falls du schon in mehreren Beziehungen warst und immer wieder ähnliche Kritik an einem bestimmten Verhalten gehört hast, spricht das umso mehr dafür, dass du das angehen solltest.
Muss ich wirklich was ändern?
Angenommen, die Kritik ist gerechtfertigt. Du hast dann natürlich die Wahl: Machst du was, oder machst du nichts, um dein Verhalten zu ändern? Wir finden, dass Verhaltensänderung hin zum Besseren immer eine gute Sache ist. Denk dran: Du machst das nicht nur deinem Partner*deiner Partnerin zuliebe, sondern letztendlich vor allem für dich selbst.
Vielleicht sagst du dir: "Aber er*sie sollte auch etwas tun, um sein*ihr Verhalten zu ändern!" Klar sollte er*sie das. Aber es ist einfacher, das eigene Verhalten zu ändern als das des Partners*der Partnerin. Du bist in der Beziehung 100 Prozent verantwortlich für deinen Anteil an den Problemen. Nicht nur 50 Prozent. Und wenn dein*e Partner*in dein Engagement spürt, fühlt er*sie sich eher dazu eingeladen, auch etwas zu tun.
Es ist ja auch gut möglich, dass du genauso viel Kritik am Verhalten deiner Partnerin*deinem Partner äusserst wie umgekehrt. Ihr hackt aufeinander rum. Wer macht den ersten Schritt zur Verbesserung der Situation? Wir empfehlen dir, dass du es tust. Dass der*die andere sich unmöglich benimmt, sollte keine Rechtfertigung dafür sein, dass du es auch tust. Egal wie unanständig jemand mit dir umgeht, ist das keine Rechtfertigung dafür, dich selbst unanständig zu verhalten. Wir empfehlen dir dazu unsere Tipps zum fairen Umgang mit Partner*innen.
Eigentlich wollen wir hier eine radikale Einladung zur Eigenverantwortung aussprechen. Mehr dazu findest du in unserem Text über Eigenständigkeit. Ausserdem empfehlen wir dir das Buch "Konflikte im Kern gelassen lösen: Die Anatomie des Friedens" vom Arbinger Institute, das aus guten Gründen ein internationaler Bestseller ist.
Warum ist Kritik an der Person kaum je gerechtfertigt?
Wenn dein Partner sagt: "Du bist faul!", weil du dich seit Jahren lieber auf der Couch vergnügst als die Wohnung zu putzen, dann ist das zwar eine harte, wohl aber eine berechtigte Aussage. Sehr oft aber ist Kritik an deiner Person nicht eine frustrierte Erkenntnis aus langjöhriger Erfahrung. Sondern es werden hier Eigenschaften kritisiert, die einfach zu dir gehören und die du nicht einfach so ändern kannst. Sie gefallen einfach deinem Partner*deiner Partnerin nicht: Du bist vielleicht übergewichtig. Oder nicht so stark. Oder schnell müde. Oder nicht so belesen. Oder etwas ungeschickt. Oder nicht so schnell. Du räusperst dich vielleicht oft. Oder du schnarchst. Du bist ängstlich. Du hast Schwierigkeiten, dich zu entscheiden.
Das sind vielleicht Dinge, die dich selbst an dir stören. Du probierst vielleicht schon länger, sie zu ändern. Aber das fällt dir eben nicht leicht. Dein*e Partner*in weiss das möglicherweise und drückt gerade deshalb auf den wunden Punkt. Das ist keine konstruktive Kritik. Hier geht es nur darum, dir schlechte Gefühle zu machen, dich runterzumachen oder dich fertig zu machen.
Das ist umso mehr der Fall, wenn deine Partnerin*dein Partner Dinge an dir kritisiert, die gemäss Aussagen anderer Menschen überhaupt nicht stimmen. Zum Beispiel: Du bist eine tüchtige Person und dein*e Partnerin wirft dir Faulheit vor. Oder du bist dünn und dein*e Partner*in sagt dir, du seist fett.
Grundsätzlich zeigen herablassende Wörter wie "fett", "Schlampe" oder "Versager" dir: Hier gehts darum, dich zu verletzen oder fertig zu machen.
Wieso ist er*sie so verletzend zu mir?
Angenommen, dein*e Partner*in macht dich ständig runter. Immer wieder hörst du, du seist dumm, hässlich, unfähig oder auf irgend eine Art unzulänglich. Wenn du deinen Partner* deine Partnerin so etwas sagen hörst, weisst du, dass er oder sie es nicht gut mit dir meint. Sein*ihr Ziel ist nicht, dir eine Chance auf Veränderung zu geben. Sondern er*sie will, dass du dich schlecht fühlst. Er*sie kann dir ansehen, dass es dir nicht gut geht mit dem, was du zu hören kriegst.
Es kann sein, dass dein Partner*in sich so schlecht dir gegenüber verhält, weil er*sie mit sich selbst und dem eigenen Leben unzufrieden ist. Aus seiner*ihrer Unzufriedenheit heraus erscheinst du als schuldig und schlecht und falsch. Statt was dafür zu tun, die eigene Situation zu verbessern, hackt er*sie auf dir herum. Das lenkt davon ab, dass es an der Zeit wäre, selbstverantwortlich an den eigenen Einstellungen und dem eigenen Verhalten zu arbeiten. Das wäre viel mühsamer, als immer weiter die Schuld beim dir abzuladen. Klar ist: Du bist nicht für seine*ihre Zufriedenheit zuständig.
Vielleicht hatte er*sie Erwartungen in dich, die du nicht erfüllen kannst – zum Beispiel, dass du ihn*sie glücklich machst. Da baut sich viel Frust und Groll auf dich auf. Er*sie sieht sich sozusagen als dein geprelltes Opfer. Es kann sein, dass er*sie dann richtiggehende Genugtuung dabei verspürt, dich zu verletzen. Erwartungen an Beziehungspartner*innen sind in der Regel nicht gerechtfertigt. Hier geht es auch um einen Mangel an Eigenverantwortung.
Vielleicht mag er*sie auch das Gefühl, dich unter Kontrolle zu haben, in dem er*sie dich "klein macht". Mehr dazu liest du in diesem Text über häusliche Gewalt.
Egal was die Gründe für das verletzende Verhalten deines Partners*deiner Partnerin sind: Wie lang willst du das noch mitmachen?
Es ist gut, wenn du dir klar vor Augen hältst, dass dein*e Partner*in es nicht gut mit dir meint. Wenn du stattdessen denkst: «Es ist sicher keine Absicht» oder «Ich weiss ja, dass es nicht so gemeint ist» oder «Es liegt an mir, dass er*sie mich beschimpft und kritisiert», dann tust du dir selbst nicht gut und machst dich zu deinem eigenen Opfer. Wir bitten dich, dass du dazu diesen Text darüber liest, wann eine Beziehung schädlich ist.
Möglicherweise bist du es dir einfach gewöhnt, dass dich Leute fertig machen. Seit du ein Kind warst. Wir empfehlen dir dringend, dass du das genauer anschaust. Denn du hast einfach etwas besseres verdient. Bitte lies dazu diesen Text.
Wie gehe ich mit verletztender Kritik besser um?
Dein*e Partner*in geht respektlos mit dir um. Das hindert dich nicht daran, die Beziehung von dir aus respektvoll zu gestalten. Respekt heisst zu aller erst mal Respekt gegenüber dir selbst. In einer respektvollen Beziehung mit dir selbst lässt du dir nicht einfach alles gefallen, um den Frieden irgendwie zu erhalten. Respekt gegenüber dir selbst heisst auch, dass du dich für dich einsetzt. Wir empfehlen dir, dich für deine Entwicklung und dein Wohlbefinden einzusetzen. Überleg dir, was für dich in der Partnerschaft erträglich ist und wo die Grenzen des Erträglichen überschritten werden. Du musst unerträgliche Situationen oder herabwürdigendes Verhalten nicht aushalten.
Wichtig ist auch, dass du Respekt gegenüber deinem Partner*deiner Partnerin hast. Auch wenn das vielleicht eigenartig klingt: Aber wenn du dir seine*ihre Absichten klar vor Augen hältst, wenn du probierst, ihn*sie wirklich klar zu sehen (und nicht schönzuzeichnen), dann nimmst du dein*e Partner*in wirklich ernst. Das ist respektvoll. Das heisst nicht, dass du das akzeptierst, was du siehst. Aber du tust nicht so, als ob es nicht wäre.
Deine Situation wird dann anders, wenn du sie veränderst. Du veränderst sie, in dem du dein Verhalten veränderst. Er*sie kann dich nur immer wieder so kritisieren, weil du ihn*sie lässt. Du spielst also genauso mit wie er*sie. Es braucht nicht nur leere Worte, sondern ein Verhalten, das du durchziehen kannst. Wenn du dein Verhalten änderst, ist er*sie gezwungen, das Verhalten zu ändern – sonst nicht. Wenn du nur über Veränderung redest – oder wenn du sie androhst –, wird sich nichts ändern. Denn nichts ändert sich, ausser jemand macht wirklich etwas.
Vielleicht empfindest du es ungerecht, dass du Aufwand hast für eine Veränderung, wo du ja eh schon leidest. Doch in Beziehungen, wo eine Person leidet, muss die leidende Person etwas verändern. Zufriedene Menschen geben in der Regel ihr Glück sehr ungern auf und sind darum nicht an Veränderung interessiert. Daher: Statt auf eine Veränderung aus dem Nichts zu hoffen, werde aktiv.
Beobachte sein*ihr Verhalten und zieh daraus Schlussfolgerungen. Was will er*sie wohl erreichen? Sprich das problematische Verhalten an. Sag ihm*ihr, dass du das nicht mehr mitmachen wirst. Sag ihm*ihr, welches Verhalten du dir von ihm*ihr wünschst. Mehr zum fairen Umgang bei Konflikten findest du in diesem Text. Sei konsequent. Das heisst: Sprich die Möglichkeit einer Trennung oder einer Beziehungspause an. Du kannst ihm*ihr durchaus ein Ultimatum stellen. Das solltest du aber unbedingt ernst meinen. Wenn du immer nachgibst, behält er*sie die Kontrolle. Wenn du sagst, du hast keine Lust mehr – und das auch konsequent durchziehst – muss er*sie lernen, für sich selbst zu sorgen.
Sollte ich mich trennen?
Vielleicht überlegst du, ob du dich trennen solltest. Vielleicht hast du aber Angst, das Vertraute aufzugeben und allein zu sein. Denk an den Respekt gegenüber dir selbst: Wie lang willst du dir das noch antun? Worunter du jetzt in der Beziehung leidest, darunter wirst du auch die nächsten Jahre noch leiden. Die logische Folge ist, die Beziehung in Frage zu stellen. Dazu raten wir dir immer, wenn es etwas gibt, das in der Beziehung deinen Bedürfnissen klar widerspricht.
Bitte lies auch diese Tipps zur Frage, ob eine Trennung richtig ist.