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Frage Nr. 36449 von 01.03.2023

Liebes Lilli-Team,
ich (24,m) lebe bereits seit ungefähr 10 Jahren mit einer alltäglichen Angst und Anspannung. Besonders stark wird sie, wenn ich aus dem Haus gehe. Mein Verständnis dieser Angst ist trotz der langen Zeit nicht wirklich gut. So viel weiß ich bisher:
- Sie wird stärker, wenn ich an Gruppen von Menschen vorbei laufe
- Mädchen machen mir besonders Angst, da ich mich von ihnen besonders negativ bewertet fühle (oft erlebe ich Mädchen als arrogant, ansprüchlich, enthemmt und abwertend, was mich sehr einschüchtert)
- Sie ist bei Bekannten und Unbekannten annähernd gleich stark
- Sie hat meistens mit Ablehnung zu tun
- Sie hat auch etwas mit der „Fassade“ zu tun, die ich im Alltag aufsetze, um mich weniger klein zu fühlen (Teil davon, sind ein ausdrucksloses Gesicht und eine aufrechte Körperhaltung) und mit Scham, die auftaucht, wenn ich meinem Wunschbild von mir nicht gerecht werden kann
- Andere Menschen stellen für mich eine konstante Bedrohung dar (Oft habe ich das Gefühl, dass sie mich alle bewerten, ablehnen und sich über mich lustig machen wollen)

In der Schule wurde ich gemobbt, daheim war ich über meine ganze Jugend hinweg der Aggressionspuffer meiner Eltern während deren, leider jahrelang andauernden Scheidung. Freunde, denen ich mich hätte anvertrauen können, hatte ich nicht.
(...)
Eine Psychiaterin hat mir letztens Venlaflaxin, ein anderer Arzt unabhängig Citalopram verschrieben, allerdings traue ich mich nicht, es zu nehmen.

Habt ihr eine Idee, wo ich ansetzen kann, um ein besseres Verhältnis zu meinen Gefühlen und einen gesünderen Selbstwert zu kriegen? Wie komme ich aus diesem gesamten Gewirr aus ungesunden Gedanken und Verhaltensweisen wieder raus?

Unsere Antwort

Du hast in deinem Leben viel psychische und emotionale Gewalt erfahren. Es ist ganz normal, dass du als Reaktion darauf bestimmte Überlebensstrategien entwickelt hast. Diese helfen dir aber in deinem heutigen Leben nicht mehr, sondern stören. Bitte lies dazu diesen Text, in dem wir das ausführlich erklären.

Du bist schon auf einem guten Weg: Denn du hast beschlossen, dich selbst und deine Gefühle ernst zu nehmen und kennenzulernen, statt sie zu verdrängen. Diese Entscheidung ist der erste wichtige Schritt. Bitte lies mal unseren Text Wie überwinde ich meine Vergangenheit? Von dort kommst du auf weitere Texte im Kapitel Gewalt und Stress im Elternhaus, die dich interessieren könnten. Schau auch mal in unser Kapitel Meine Stimmung, meine Gefühle. Dort findest du viele Ansatzpunkte, Infos und Tipps.

Wenn ich dich richtig verstehe, hast du dir in der Vergangenheit schon einmal psychotherapeutische Hilfe gesucht. Das ist super. Offenbar hast du damit ja auch gute Erfahrungen gemacht. Ich empfehle dir sehr, dass du das jetzt wieder tust. Möglich wären zum Beispiel eine achtsamkeitsbasierte kognitive Verhaltenstherapie oder eine Traumatherapie, die gezielt auf die Zusammenhänge zwischen deinen heutigen Problemen und dem damaligen Stress eingeht – zum Beispiel eine Ego-State-Therapie.

Siehst du denn die Psychiaterin regelmässig? Findet da auch eine Psychotherapie statt? Medikamente helfen dir dabei, besser durch den Tag zu kommen. Sie lösen zugrundeliegende Probleme nicht – aber sie können es einfacher machen, in der Psychotherapie daran zu arbeiten.

Und nun zu den Medikamenten: Ich frage mich, warum du unabhängig voneinander die Psychiaterin und den Arzt für die Medikamente konsultiert hast. Du solltest auf keinen Fall zwei Medikamente auf einmal nehmen, wenn das nicht mit den verschreibenden Ärzt*innen so abgesprochen ist. Offenbar wissen weder die Psychiaterin noch der Arzt davon, dass dir die andere Fachperson auch ein Medikament verschrieben hat. Wie ist es dazu gekommen? Wovor hast du denn Angst bezüglich der Einnahme? Hast du mit den Ärzt*innen über mögliche Nebenwirkungen und über deine Sorgen gesprochen? Sie haben eine Pflicht, dich aufzuklären und deine Fragen zu beantworten.

Noch einmal: Du bist auf dem richtigen Weg. Jetzt bleib dran und such dir die Unterstützung, die dir zusteht. Du kannst uns auch gern wieder schreiben – bitte unter Angabe dieser Fragenummer.

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