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Frage Nr. 36621 von 16.03.2023

Liebes Lilly-Team,

Ich bin weiblich, 35 Jahre alt und habe eine Frage zu meine Sexualität. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich in meinen Fantasien mir immer vorgestellt, dass ich zur Sexualität gezwungen werden, leicht geschlagen oder gedemütigt werde. Dies fand ich immer sehr sehr erregend.

Ich habe auch kurze Versuche im echten Leben in diese Richtung unternommen aber eigentlich wollte ich diese Fantasien nie haben.

Nun ist es so, dass ich zum ersten Mal einen Freund habe, bis vor kurzem war ich auch noch Jungfrau.
Ich bin seit längerer Zeit in Psychologischer Behandlung, da es mich sehr belastet hat, dass ich mich auf keine Beziehung einlassen kann bzw immer nur Männer mag, die distanziert sind.

Nun setze ich mich zum ersten Mal mit meiner Sexualität auseinander und ich stelle immer mehr fest, dass ich diese Gewaltfantasien einfach nicht haben will und auch nicht ausleben will aber wann immer ich mit meinem Freund rummache, schaffe ich es nur einen Orgasmus zu haben oder erregt zu werden, wenn ich mir vorstelle sehr Hart und verächtlich angesprochen oder überwältigt zu werden.
Ich fühle mich aber überhaupt nicht gut damit und würde das so gerne ändern.
Ich hab immer das Gefühl das alleine Küssen und Schmusen mir einfach kaum etwas bedeuten und das macht mich sehr traurig. Ich habe Angst, dass ich durch eine eher sanftere Art niemals so erregt werde wie durch meine Fantasien, auch bin ich oft dann zu wenig erregt und der Sex tut dann weh...

Mich iritiert auch diese verächtliche Stimme in meinen Fantasien weil das ja letztendlich ich selber bin, die so mit mir redet...
Auch verstehe ich nicht, warum ich so Fantasien schon immer erregend fand...ich erinnere mich bspw. es schon in der Grundschule interessant gefunden zu haben, wenn ich wie ein Gegenstand behandelt wurde in Spielen oder meiner Fantasie.

Nur als Hintergrundinfo: ich wurde nie missbraucht oder geschlagen in meiner Kindheit aber ich habe ein distanzierte Verhältnis zu meinem Vater und denke das er eher streng war und alles kontrollieren wollte.
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!!

Unsere Antwort

Sexuelle Fantasien sind häufig die Übersetzung von körperlichen Vorgängen in Gedanken. Es ist gut möglich, dass die Beziehungs-Lerngeschichte auch eine Rolle spielt, allerdings muss das nicht sein. Was bei „harten“ Fantasien so gut wie immer zu beobachten ist, ist eine Erregungstechnik, die mit sehr viel Muskelspannung einhergeht. Das heißt, du spannst deine Muskeln stark an, um deine sexuelle Erregung zu steigern. So versetzt du deinen Körper und deinen Kopf in einen Zustand von Stress und Gefahr. Und die sexuellen Fantasien spiegeln das dann wider.

Es kann sein, dass du dich im richtigen Leben völlig von solchen Gedanken und Vorlieben distanzierst. Vielen Menschen geht das so und sie sind dann – wie du – sehr irritiert und verunsichert, wieso sie solche Fantasien haben, die ihren Werten widersprechen. Dabei ist es ganz normal, dass sich körperliche Zustände in unseren Fantasien zeigen.

Überschrift: Was haben sexuelle Fantasien mit dem Körper zu tun? Text: All das was du körperlich machst und erlebst, übersetzt sich in die Bilder, die während der sexuellen Erregung entstehen. Darunter ein Bild von einem sitzenden Mann. Von ihm ausgehend zeigen Pfeile auf zwei Kasten. In dem ersten Kasten steht: Wenn deine Muskeln stark anspannst oder dich viel bewegst, überträgt sich das auf deine sexuellen Fantasien. Von dem Kasten zeigt ein weiterer Pfeil auf eine Denkblase mit einem Bild von einem Mann und einer Frau, welche Sex haben. Diese Denkblase zeigt die Fantasie des sitzenden Mannes.  In dem zweiten Kasten steht: Auch unterschiedliche Positionen können einen Einfluss auf die sexuellen Fantasien haben: sitzend, liegend auf dem Rücken, auf dem Bauch, stehend und so weiter. Auch von hier zeigt ein weiterer Pfeil auf die Denkblase.

Ich bitte dich, dazu einige Texte zu lesen:

- Wie komme ich mit meinen sexuellen Fantasien besser klar?

- Muskeln sehr anspannen beim Sex: Vor- und Nachteile

- Wie kann ich mich sexuell erregen? Von diesem Text wirst du auf weitere Texte verlinkt, die verschiedene Erregungstechniken genauer beschreiben. Schau mal, wo du dich da wiederfindest.

Grundsätzlich gilt: Du kannst in deiner Sexualität jederzeit dazulernen. Du kannst lernen, sanftere Aktivitäten erregend zu finden. Du kannst neue Erregungstechniken lernen, wodurch auch neue Fantasien entstehen können. Bitte lies dazu mal unseren Text Wie funktioniert sexuelles Lernen? Es geht hier nicht darum, das abzuwerten, was du schon kannst. Denn dich durch harte Fantasien erregen zu können, ist ebenfalls eine sexuelle Fähigkeit. Eine Fähigkeit, die du weiterhin nutzen kannst. Es geht also nicht um eine Korrektur, sondern eine Erweiterung. Das Ziel ist, ein breites Spektrum zu haben, damit du dich in sexuellen Situationen nicht auf nur eine Möglichkeit der sexuellen Erregung eingeengt fühlst.

Wichtig: Bitte habe keinen Sex, der dir auf unangenehme Weise weh tut. Du schreibst, dass du das gerade oft der Fall ist, weil du beim Sex mit deinem Freund nicht erregt genug bist. Das ist keine gute Idee, denn auch so lernt dein Gehirn. Und dann lernt es Sex = ungewollter Schmerz, was langfristig zu Problemen führt. Stell also sicher, dass du erregt genug bist. Und dafür kannst du auch deine Fantasien nutzen. Du kannst damit experimentieren, sie abändern, zwischen neuen und alten Fantasien hin- und herwechseln. Auch so lernst du mit der Zeit Neues. Und denk daran, deine Fantasien sind eine Erregungsquelle, keine Aussage über deine Werte oder dich als Person.

Überschrift: Was, wenn meine Fantasie nicht zu mir passt? Text: Oft passen sexuelle Fantasien nicht in das Bild, das eine Person von sich selbst hat. Wenn du erkennst, dass die sexuellen Fantasien wirklich nur für die sexuelle Erregung da sind, gehst du damit lockerer um. Du musst dich nicht mit ihnen identifizieren.  Darunter sind drei Menschen abgebildet, die verschiedene Dinge denken. Eine rothaarige Frau auf der linken Seite denkt: Ich bin ein sanfter Mensch, aber ich habe krasse Fantasien. Ein Mann in der Mitte denkt: Ich mag in meinen Fantasien Dinge, die nicht zu meiner Lebenseinstellung passen. Und eine dunkelhaarige Frau auf der rechten Seite denkt: Ich kann mich im  Leben gut behaupten, bin aber in meinen Fantasien unterwürfig.

Mich würde interessieren: Wie waren denn die „kurzen Versuche im echten Leben“ für dich? Hast du das auch als erregend empfunden? Es gibt Fantasien, die wir nur als Fantasien erregend und im echten Leben gar nicht toll finden. Das ist normal. Es gibt aber auch solche, die wir auch in der Realität aufregend finden. Falls bei dir letzteres der Fall ist, wären auch Rollenspiele eine Option, um deine sexuelle Erregung zu steigern. Hier können Sexualpartner*innen in einem sicheren Rahmen harte Fantasien und Vorlieben ausleben, während sie ausserhalb der Rollenspiele liebevoll miteinander umgehen. Das ist völlig normal.

Zuletzt möchte ich noch kurz auf das Thema Beziehungen eingehen. Wenn wir als Erwachsene Probleme damit haben, uns auf Beziehungen einzulassen, dann deutet das oft darauf hin, dass wir als Kinder negative Beziehungserfahrungen gemacht haben. Ich könnte mir daher vorstellen, dass du als Kind stressige Beziehungen erlebt hast. Du erwähnst ja auch deinen sehr kontrollierenden Vater. Gewalt findet oft versteckt statt. So versteckt, dass nicht mal die, die sie ausüben, das merken. Dazu könnte dich dieser Text interessieren.

Möglicherweise wirft das Lesen all der Texte bei dir viele Gedanken und vielleicht auch weitere Fragen auf. Du kannst uns jederzeit dazu wieder schreiben. Gib dann bitte diese Fragenummer an.

 

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