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Frage Nr. 38307 von 24.05.2024

Hallo lilli,
ich (m, 18) hatte euch schon mal geschrieben, das waren die Fragen Nr. 34096 und Nr. 35269. Ich weiß nicht, ob ihr meine Fragen von damals noch habt, aber falls nicht, wiederhole ich es hier nochmals. Seit meiner frühen Jugend (ich denke ca. 11,12) wurde mein Sexualleben und die Entdeckung desselben, allumfassend von einem ziemlich einschränkenden und wenig mit richtigem Sexualleben zu tun habenden Fetisch dominiert. Es geht halt um so großen Silberschmuck (vor allem für Männer) und beinhaltet auch eine weitere Per Se nochmals deutlich unnatürlichere Komponente (auch ziemlich exotisch und merkwürdig, im Prinzip eine Weiterführung und Erweiterung der ersten Komponente, nichts mit Bondage oder anderem BDSM-Krams oder sowas; nichts verbotenes oder gefährliches).
Damit war/ist meine Sexualität aufgrund dem ausschließlichen Fokus auf diesen Fetisch nun leider dementsprechend ziemlich weit von regulärem, funktionierendem Sexualleben (erst recht zu zweit) entfernt.

Eure Antworten hatten mir nun zuerst zum einen geholfen, den Fetisch zu akzeptieren (sodass ich aufgehört hatte mich ständig destruktiv selbst zu verurteilen), (dann wurde es dann zwischenzeitlich...nun ja...ein wenig "zwanghaft" in Bezug auf die sich gedanklich ständig aufdrängende Idee einer potentiellen Umsetzung, was zu einem wirklich starken inneren Konflikt führte (deshalb hatte ich euch meine zweite Frage gestellt; diese Grübelei ist aber inzwischen glücklicherweise vollständig abgeklungen und spielt keinerlei Rolle mehr)), zum anderen versuche ich nun schon seit so ca. 1½ Jahren langsam mein sexuelles Menü zu erweitern. So wechsle ich inzwischen zum Höhepunkt zu (einigermaßen realitätsnahen, tendenziell eher gefühlvolleren) Pornos, Geschichten (ohne Fetisch) oder stelle mir alternativ (kurz, manchmal auch länger) entsprechendes vor.

Außerdem konsumiere ich inzwischen eher weniger "extreme" Inhalte, komme beim Höhepunkt nicht mehr "während" der Fetisch-Inhalte (wechsle dann - wie eben beschrieben - noch schnell oder stelle mir zumindest etwas vor, dadurch wird das ganze relativ erträglich bis teils wirklich sehr angenehm (halt abhängig davon wie lange ich mich in der Endphase mit den Nicht-Fetisch-Inhalten aufhalte und wie lange ich davor Fetisch-Krams konsumiert habe)) und nähere mich vor allem langsam erfolgreich der Schwelle, das ich die Vorstellung normalen Geschlechtsverkehrs zumindest schonmal ansatzweise erregend finde. Erreicht habe ich das aber noch nicht, da diese "normalen" Fantasien/Erregungsquellen wirklich effektiv erst funktionieren, nachdem ich quasi "Beginn" und "Mitte" der Erregungskurve schon überwunden habe. (Wenn ich einige Tage nicht masturbiert habe, funktionieren sie aber glaube ich auch schon früher.) Auch ist mein Wissen zu normalem Sex und was daran erregt, halt noch etwas begrenzt und deshalb auch meine Vorstellungen. (Auch mit dem Fühlen und Bewegen klappt es glaube ich deshalb noch nicht so wirklich gut, weil ich dazu noch keinen so guten Bezug aufgebaut habe).

(Dabei präferiere ich inzwischen scheinbar eher Männer, obwohl ich mir vor ca. zwei Jahren aufgrund meiner unterentwickelten Sexualität noch nicht so sicher war ob ich eher Frauen oder Männer (sexuell) anziehender finde.)

Im Idealfall nutze ich nun die Fetischinhalte nur als Einstieg oder lese Geschichten in denen teilweise Fetischkomponenten vorkommen (selbst da artet es aber manchmal bis häufig zu stundenlangem Suchen neuer Inhalte aus, obwohl eigentlich kein Mangel besteht). Das funktioniert (wenn es denn funktioniert) dann eben auch relativ gut, ist angenehm und trägt - wie oben erwähnt - ganz langsam auch Früchte.

Das Grundproblem besteht aber trotzdem leider immer mal wieder. Der exzessive (dabei häufig mehrere Stunden überstreckende) Konsum von den Fetischinhalten ist weniger geworden, tritt aber immer wieder in wiederkehrenden Phasen erneut auf, ganz besonders wenn ich unter Stress stehe, oder von irgendwelchen erregenden Dingen "getriggert" werde (das heißt letztlich in den Ferien verspüre ich eher selten Drang). Dabei läuft es dann meist auf den Konsum immer wieder derselben Inhalte hinaus (z.B. irgendwelche dämlichen Juwelierwebsiten), die ich eigentlich schon tausendmal konsumiert habe. Problem ist auch, dass ich dann auch häufig dazu neige, den Konsum unnötig zu strecken und den Höhepunkt teils sehr sehr lange hinauszuzögern. Wenn es dann einmal so weit war, folgt manchmal auf den mangelhaft abgelassenen Druck gerne noch mal ein zweites oder gar drittes Mal. Dabei geben mir diese Inhalte eben nicht mal richtig was. Emotional lassen sie mich unbefriedigt, sie verschwenden meine Zeit teils massiv, und auch von meinem Körper spüre ich so herzlich wenig denke ich, weil sie damit ja auch gar nichts zu tun haben und deshalb der Bezug fehlt. (Ist es jetzt eigentlich theoretisch wirklich möglich nur durch Bewegung, ganz ohne zumindest Fantasien zu kommen?) Darüber hinaus vernachlässige ich dann (wenn es wieder besonders schlimm ist) gerne auch mal andere Aufgaben oder komme nicht pünktlich zum Essen.

Emoßtional geht es mir inzwischen bedeutend besser als ich euch damals geschrieben habe. Zum einen ist das auf die Verbesserungen zurückzuführen, zum anderen bin ich vermutlich auch irgendwie noch gereift, sodass ich besser damit umgehen kann und weiterhin ist gegenüber dem Konsum dieser immer gleichen Inhalte inzwischen wohl auch eine Art Abstumpfungseffekt eingetreten...
Andererseits scheinen vielleicht auch durch die Besserungen das "Triggerpotenzial" und die vorher recht extreme "Anregungsstärke" der Fetischinhalte seit kurzer Zeit auch ein ganz klein wenig zu schrumpfen.

Hauptursache an meiner dranghaften Sexualität ist, denke ich, dass ich damit versuche unangenehme Gefühle zu unterdrücken/ersetzen, ob ich jetzt gestresst, verunsichert, desorientiert, frustriert, ausgelaugt, gelangweilt, ziellos oder müde bin (bei all dem habe ich es zumindest beobachtet). (Ganz besonders bei Stress und (ungewollter) Müdigkeit und sehr sehr häufig nachmittags, wenn die Nachmittagsmüdigkeit/Mittagstief sich bemerkbar macht, verspüre ich den Drang dazu. Morgens auch manchmal, dort aber mehr aus Langeweile. Abends allerdings fast gar nicht.)
Ich habe das Gefühl als müsste ich irgendwie immer so einen Nerv in mir drin stimulieren.
Einige Zeit lang hat sich dieses Verhalten umgelagert auf einen teils exzessiven Konsum von lustigen oder halt thematisch irgendwie interessanten YouTube-Videos (nach dem vierzigsten ist da irgendwann aber auch das lustigste nicht mehr lustig, sondern nur noch kopfschmerzeninduzierend) und dann vor einiger Zeit exzessives Nachrichten-Doomscrolling, das ist aber beides aktuell zum Glück wieder abgeklungen.
Vielleicht ist es durchaus erwähnenswert, dass ich schon jahrelang diagnostiziertes ADHS habe und dementsprechend anscheinend die schlechte Impulskontrolle hiermit gleich mitgeliefert bekommen habe. Meinen Arzt auf all das anzusprechen, könnte ich aber absolut nicht (der würde sich aber auch sowieso nicht mit Problemen dieser Art auskennen).

Wegen all dem habe ich mich wieder an euch gewendet. Meine wichtigsten Fragen sind nun vor allem: Wie kann ich besser in Situationen, wenn diese Gefühle/Impulse auftreten, diese richtig kanalisieren und nicht immer und immer wieder diese unsinnige Ausweich"lösung" wählen? Was ist überhaupt mein Problem? Warum mache ich das überhaupt immer wieder? Und wie finde ich eine Strategie, um effektiv mein sexuelles Menü zu erweitern und dabei vor allem nicht immer wieder in diesen exzessiven Konsum gezogen zu werden?


Entschuldigt bitte diesen wirren und (auch eigentlich ziemlich irren) Text.
Vielen vielen vielen Dank, dass ihr dieses Fragefenster überhaupt anbietet.

Unsere Antwort

Ich bin beeindruckt von den Entwicklungen, die du angestossen hast. Du hast in den vergangenen fast 2 Jahren sehr viel dazu gelernt und ganz neue Erfahrungen gesammelt. Du hast deine sexuelle Erregung besser kennengelernt und neue Fantasien entwickelt. Du gehst liebevoller mit dir um. Und du bist dir sicherer geworden in deiner sexuellen Anziehung.

Unsere Antwort bleibt im Wesentlichen die gleiche wie letztes Mal: Widme dich dem Fühlen.

Du schreibst, dass du zum Fühlen und Bewegen noch keinen so guten Bezug aufgebaut hast. Mach genau dort weiter. Du hast bereits gemerkt, dass du durch wiederholtes Üben eine Veränderung herbeiführen kannst. Fokussiere dich dabei auf das Spüren. Denn dein Körper kann ganz vieles empfinden. Ob kalt oder warm, Druck oder Reibung... Wie fühlst du dich, wenn du auf der Stelle gerannt bist? Wie fühlst du dich, wenn du deinen ganzen Körper zart streichelst? Wie fühlst du dich wenn du deinen ganzen Körper abklopfst? Zum Beispiel zunächst mit beiden Fäusten auf deine Brust wie ein Gorilla und dann deinen gesamten Körper entlang. Experimentiere damit.

Lass die sexuelle Erregung erstmal weg. Du übst zunächst etwas anderes. Du übst die vielen unterschiedlichen Dinge wahrzunehmen, die dein Körper spüren kann. Wenn du dir ein solches Spürmenü aufgebaut hast, wird es leichter, es in ein sexuelles Menü übergehen zu lassen.

Du schreibst davon, dass du auf deine gewohnte Strategie zurückgreifst, wenn du unter Stress stehst. Ich gönn dir das. Das darf Teil deiner Ressourcen zum Stressabbau sein. Und wenn du möchtest, kannst du noch andere Strategien entdecken, die dir auch helfen. Was könnte das sein? Bei was könntest du aufgestaute Spannung loswerden? Gleichzeitig schreibst du, dass dich dieser Spannungsabbau unbefriedigt lässt und dir wie eine Zeitverschwendung vorkommt. Welche Kleinigkeiten könntest du daran verändern, damit es sich mehr für dich lohnt?

Es ist häufig so, dass Menschen im Laufe des Lernens an einen Punkt kommen, wo das Alte nicht mehr so richtig passt und das Neue noch nicht so richtig da ist. Ich vermute, dass du gerade an so einem Punkt bist. Jetzt heißt es dranbleiben und dem neuen noch weiter die Chance geben, sich zu festigen.

Da du von deinem Umgang mit deinen Gefühlen schreibst, möchte ich dir diese beiden Texte ans Herz legen: Ich komme mit meinen Gefühlen nicht klar – was tun? und Wie beeinflusse ich meine Stimmung über den Körper? Mit dem zweiten Text schlägst du sogar zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn es geht sowohl um den Umgang mit Gefühlen als auch um das Spüren.

Du bist auf dem richtigen Weg. Jetzt heißt es dranbleiben. Wenn du wieder irgendwo anstehst, schreib uns einfach wieder.

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