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Frage Nr. 39483 von 03.03.2025

Liebes Lilli-Team,
ich w(22) bin auf die Frage Nr. 38769 gestoßen und finde mich darin wieder.

Ich wünsche mir auch, dass ein Mann schon erst gar nicht Fantasien hat, die erniedrigend oder auf andere Weise negativ für Frauen sind. Denn der Gedanke daran macht mir Angst. Auch wenn es nicht in Interaktion mit einer Partnerin passiert. Könnte ich jemand mögen, der sich daran erfreut? An sich sind alle Fantasien im Kopf ja in Ordnung, aber diese gezielt im Internet aufzusuchen und echte Menschen dabei sehen wollen… und dann manche in die Realität mitnehmen. So wie es die Fragestellerin beschrieben hat: Wie kann ich damit umgehen, dass mir Fantasien die wahrscheinlich durch Pornos entstanden sind, starke Angst machen?

Sex in Pornos drücken oft keine Liebe aus, sondern Dominanz und emotionale Distanz. Sex ist mehr ein Benutzen, Sex wird mehr an einer Person ausgeführt. Es werden falsche Bedingungen aufgezeigt und Grenzen werden immer mehr ausgeweitet, es muss immer krasser werden… Die Pornoindustrie macht mir teilweise sehr starke Angst- und Ekelgefühle. Es ist etwas total normales für ziemlich jeden Mann.

Ihr habt die Fragestellerin in einem Absatz gefragt, was sie damit meint, dass Pornographie Intimität verhindert. Eure möglichen Ideen sind genau das, was mir Angst und Traurigkeit über unsere (Männer)Welt macht (Natürlich ist nicht jeder Mann so): Herkunft der Fantasie und diese selbst. Ich stelle mir das so vor, dass Fantasien aus Pornos entspringen. Sie werden von dem Konsumenten übernommen und vielleicht auch immer mehr ausgebaut. Damit finde ich einfach Pornos scheußlich und habe dann auch vor der Fantasie selbst Angst. Ich muss daran denken, dass die Fantasie durch diese Industrie geformt wurde und nicht im Menschen alleine entstanden ist und dieser das nicht reflektiert. Ein Mann behandelt eine Frau beispielsweise in echt absolut respektvoll, aber an Sachen, die er nicht in echt machen würde, erregt er sich trotzdem, wo echte Frauen dies aber im Porno machen, es nicht nur etwas im Kopf ist. Das ist die Doppelmoral zwischen Frauen (Freundin, fremde Frau als Objekt) zu unterscheiden.

Ist das nicht ein Problem, wenn wie beim Beispiel der Ejakulation, eine Fantasie durch Pornos Verbreitung findet. Es wird normalisiert (Pornos, Inhalte), nicht hinterfragt, erregt die Männer… Ich kriege einfach Ekel vor Männern, wenn ich mir vorstelle, wie diese vor diesen Pornoseiten am Bildschirm sitzen, wo die Menschen, vor allem Frauen, so dargestellt werden.

Wie geht man mit der Angst über die oben genannten Sachen für sich alleine um und wie in einer Partnerschaft, wenn der Freund durch Pornos beeinflusst wurde und er sich daran (Fantasien die ich abstoßend finde oder Fantasien die für Frauen erniedrigend sind) „erfreut“? Wie kann man das für sich auch kognitiv verarbeiten? Meine einzige Idee dabei ist, dass der Mann diese für eine Fantasie hält, die er in echt nicht möchte (aber dann im Internet aufsuchen…). Andere Fantasien will er in echt möglicherweise dafür schon übernehmen, welche mir Angst (plus Herkunft) machen und dann Angst/Ekel vor ihm entsteht.

Ich würde einfach gerne einen Umgang damit finden, dass ich Männer daten kann, auch wenn diese Pornos konsumiert haben. Und dass ich jetzt nicht immer Panik bekomme, wenn ich an das Thema denke oder Geschichten über Männern höre/ lese. Ich finde es so schrecklich, dass fast alle Männer sich Pornos mit bestimmten Praktiken "reinziehen".
Danke!

Unsere Antwort

Erstmal freut es uns, dass dich das Lesen einer anderen Antwort dazu angeregt hat, deine Frage ebenfalls zu stellen. Unser Angebot ist so ausgerichtet, dass die Fragen anderer Mut machen sollen, sich mit den eigenen Themen Unterstützung zu suchen. Es freut uns jedes Mal, wenn das gelingt.

Du sprichst vielschichtige Themen an, deshalb fällt meine Antwort etwas länger aus. Vorweg möchte ich sagen, dass ich dich und deine Geschichte nicht kenne. Hast du schlechte Erfahrungen gemacht mit Männern, die Pornos geschaut haben? Falls ja, wie konntest du dich in der Situation für dich einsetzen? Es würde mir helfen, wenn ich deine Angst etwas besser in deine Lebensgeschichte einordnen könnte.

Nun zu der Frage 38769, auf die du dich beziehst: In der Frage hat die Frau eine Vermutung aufgestellt. Und zwar schreibt sie folgendes: «mein Freund wünscht sich, dass er auf mir kommen darf. Ich verstehe den Wunsch nicht oder was daran erregend ist. Finde es erniedrigend. (…) Ich lehne den Wunsch auch ab, weil ich mir unsicher bin, ob dies eine Fantasie ist, die einzig der Pornographie entspringt.
Ich habe leider die Erfahrungen gemacht, dass Pornographie Sexualität und Intimität verhinderte und lehne es ab, dass man sich nicht eher füreinander als für eine bestimmte Praktik interessiert.»

Wir haben darauf geantwortet, dass sexuelle Fantasien durch das, was wir in Pornos sehen, beeinflusst werden können. Und wir schreiben auch, dass die Ejakulation auf Körperteile von Frauen ein Bild ist, welches durch die Pornoindustrie mehr Verbreitung gefunden hat. Das hat primär nichts mit Erniedrigung zu tun, sondern mit der Tatsache, dass man das Ejakulat dann im Film sieht. Man würde es nicht sehen, wenn es in der Vagina oder im Anus oder im Mund landen würde. 

Ob ein Mensch auf Erniedrigung beim Sex steht, hängt mit etwas ganz anderem zusammen: Wie er seinen Körper in der sexuellen Erregung einsetzt. Es ist ein riesen Unterschied, ob ich in einer hohen Anspannung bin, oder ob ich eher locker-bewegt bin. In der hohen Anspannung kommen eher harte Fantasien auf, und auch solche, in denen Menschen nicht so nett miteinander umgehen. In so einer hohen Spannung haben Liebesgefühle und Nähe wenig Platz. Da kommen eher Bilder davon auf, andere zu dominieren/demütigen, oder dominiert/gedemütigt zu werden. In einem eher locker bewegten Körper hingegen entstehen bei sexueller Erregung eher Liebesfantasien. Ich bitte dich, dazu zwei Texte zu lesen: diesen Text über hohe Anspannung in sexueller Erregung, und diesen Text über sexuelle Fantasien

Es gibt eine kanadische Befragung (Joyal C., Cossette A., Lapierre, V. (2015) What Exactly Is an Unusual Sexual Fantasy? The Journal of Sexual Medicine, 12, 328–340), in der rauskam, dass 20% der Befragten Fantasien haben, in denen sie sich unterwerfen, bei Männern waren es 5%. Dominanzfantasien waren bei Männern und Frauen etwa gleich häufig (4%). Das ist ein wichtiges Ergebnis: Dominiert oder gedemütigt zu werden ist etwas, das Menschen in der Fantasie sexuell erregen kann. In dieser Studie erwähnte übrigens keiner der Befragten, dass er es speziell erregend fand, ins Gesicht der Frau zu ejakulieren (was nicht heisst, dass das niemand so fand, es erwähnte einfach niemand).

Je nachdem, was ich körperlich mache beim Solosex, erregen mich auch eher die einen Pornos oder die anderen Pornos. Du schreibst «Sex in Pornos drücken oft keine Liebe aus, sondern Dominanz und emotionale Distanz». Die Pornoindustrie reagiert auch auf das, was gesucht wird – und produziert es. Und viele Menschen sind beim Sex in hoher Spannung und suchen in Pornos Bilder, die sie in diesem Körperzustand erregen, oder die sie schon als sexuelle Fantasien haben. 

Aber es gibt natürlich auch andere Pornos. Es gibt ein sehr weites Feld aus Pornos. Denn es gibt unglaublich viele verschiedene Erregungsquellen. Nicht nur Männer schauen Pornos, sondern auch Frauen. Auch Frauen, die in der sexuellen Erregung gern dominieren. Oder gedemütigt werden.

Wichtig ist daher, dass du Pornos nicht zu viel Verantwortung gibst. Ich finde es besser, du gibst die Verantwortung der sexuellen Lerngeschichte einer Person: Viele von uns lernen sexuelle Erregung in hoher Muskelspannung. Und zwar bevor sie Pornos entdecken. Viele von uns finden Dinge erregend, die wir sonst im Beziehungsleben nicht gut finden. Entweder wir behalten sie in unserer Fantasie – das ist übrigens bei den meisten Fantasien der Fall: Man will sie gar nicht in Realität umsetzen. Oder man entwickelt miteinander Rollenspiele, wo man in sexuellen Begegnungen in Rollen schlüpft und auf eine Art und Weise miteinander umgeht, von der man sich im richtigen Leben distanziert.

Es gibt Pornos, die Intimität darstellen, es gibt Pornos, in denen emotionale Nähe eine Rolle spielt. Es wäre möglicherweise hilfreich, wenn du mal gezielt nach solchen Pornos suchst.

Ich interessiere mich ausserdem dafür, deine Angst etwas mehr zu beleuchten. Wie stellst du dir das konkret vor, wenn du mit einem Mann eine Beziehung startest, und ihr euch sexuell begegnet und er zuvor Pornos geschaut hat und das vielleicht regelmässig tut. Was passiert dann ganz konkret? Wie wird er sich verhalten? Was wird er sagen? Und was machst du dann damit? Wenn ich deine Beschreibung lese, möchte ich dich darin bestärken, dich selbst aktiv in die gemeinsame Sexualität einzubringen. Du bestimmst auf Augenhöhe genauso mit, was ihr sexuell miteinander tut. Er kann nach allem fragen, aber du kannst zu allem nein sagen. Und du kannst stattdessen etwas anderes vorschlagen, was dir mehr zusagt.

Deine Angst ist groß. Daher vermute ich, du traust dir etwas nicht zu. Nämlich, so sehr mitzugestalten, dass beim Sex die Dinge passieren, die dir gefallen. Wie ist das?

Für diese Art von sexueller Selbstsicherheit ist es sehr hilfreich, dich nicht aus Angst klein zu machen. Denn in dem Moment, wo du dich klein machst, glaubst du schon, wehrlos zu sein. Das bist du nicht. Du kannst viel besser für dich eintreten, wenn du in einem lockeren Zustand bist. Wenn du dich spürst und tief atmest. Und das kannst du üben. Nehmen wir an, du verfolgst das Ziel, Männer zu daten, die Pornos schauen. Und du möchtest dich in ihrer Gegenwart sicher fühlen. Dann könntest du das Gefühl innerer Stärke und Sicherheit üben, indem du es immer wieder wiederholst. Selbstsicherheit bedeutet Aufrichtung. Du bist so gross, wie du bist. Es bedeutet, dass deine Füsse fest mit dem Boden verankert sind. Es bedeutet, dass du um dich herum mindestens eine Armlänge Raum spürst, der dir gehört. Es bedeutet, dass du tun wirst, was notwendig ist, um für deine Sicherheit zu sorgen. Schau mal, ob das deine Neugier weckt. Dich könnten auch die Körperübungen zur Selbststärkung und Selbstbehauptung aus Paul Lindens Buch "Das Lächeln der Freiheit" interessieren. Eine Leseprobe findest du hier.

Das war jetzt einiges auf einmal. Schau mal, wie das alles bei dir landet. Falls bei dir weitere Fragen auftauchen, meld dich einfach wieder. Gib dann bitte die Nummer dieser Frage an.

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