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Frage Nr. 38371 von 05.06.2024

Hallo lilli

Ich stehe vor einem Problem. Und zwar leide ich unter einem sehr niedrigen selbstwert. Ich bin 32 und männlich. Wenn ich lange auf den Bus warten muss, gehe ich gern in die Buchhandlung um die Zeit zu überbrücken. Dort gibt es eine Buchhändlerin die ich interessant finde. Man sieht sie oft selten weil sie wahrscheinlich viel zu tun hat. Aber wenn ich sie sehe und sie allein ist möchte ich gerne über ein Buch sprechen welches sie ebenfalls gelesen hat oder sie fragen was sie gerne liest. Ich möchte sie etwas kennenlernen aber ich trau mich einfach nicht weil ich mich nicht gut genug finde. Ich denke mir dann zb dass ich sie sicher störe und sie mich für einen nervigen Stalker hält. Vielleicht ist sie schon älter und hat einen Freund. Was meint ihr soll ich sie ansprechen oder ist es eine blöde Idee.
Ich werte mich oft ab, wenn ich mich nicht traue. Das verstärkt die Angst nur noch mehr diese Person oder Frauen generell anzusprechen.
Ich habe oft die Vermutung, dass sehr viele unterbewusste Faktoren und Prägungen da reinspielen. Zum einen wurde mir von meinem Vater ein sehr konservatives männerbild vermittelt. Obwohl er es heute zwar abstreitet habe ich es genauso empfunden. Er machte sich über den Mann seiner Kollegin lustig der bei den Kindern zuhause geblieben ist. Mir traute er oft nur wenig zu. Als ich mit 12 verliebt war sagte er dass ich keine Chance habe da sie eher einen Typ braucht auf den sie angewiesen sein kann. Er sagte öfter solche Dinge. Mein Vater vermittelte mir oft dass männer beruflich erfolgreicher sein sollen wie die Partnerin. Darum komme ich auch damit nicht klar wenn eine frau das idealbild meines Vaters besser erfüllt, welches ich nicht erfüllen konnte. Als Kind durfte ich oft nicht weinen weil männer das halt nicht machen. Tat ich es drohte er mir manchmal damit mir eine zu knallen wenn ich nicht aufhörte. Klar hatte ich auch viele schöne Zeiten mit meinem Vater aber er spielt bei meiner negativen Selbsteinschätzung eine grosse Rolle. Manchmal kommt es mir auch so vor dass er es oft selber nicht verkraftet wenn ich etwas besser kann als er. Ich empfinde oft schuld und scham wenn ich Beruflich und gesellschaftlich vom traditionellen geschlechterstereotyp abweiche. Ich arbeite in einem schlecht bezahlten Beruf den hauptsächlich Frauen machen. Es liegt mir leider einfach mehr als die powerjobs im MINT Bereich welche von der gesellschaft und von meinem Vater so in den Himmel gelobt werden. Ich versuchte oft typisch männliche Berufe zu erlernen aber versagte dabei meistens. HTL,Autofahren,Kfz Technik, Zahntechniker, Mathematiker, Maschinenbau waren nicht meins. Es passte nicht. Aber innerlich bin ich immer noch der Meinung dass es aber gefälligst für mich passen sollte. Deswegen sehe ich mich oft als einen fehlerhaften Mann an. Ich traue mich einfach nicht mich so zu zeigen. Kann ich mich irgendwie umprogrammieren damit ich mich in einem besseren Licht sehe.

Unsere Antwort

Wenn du die Buchhändlerin interessant findest, dann sprich sie an. Du weisst ja sogar schon, worüber du mit ihr reden willst. Ich kann gut verstehen, dass dich die Situation nervös macht. Das ist ganz normal. Vielleicht helfen dir dabei ja die beiden Texte «Wie spreche ich jemanden an?» und «Ich bin zu schüchtern zum Daten».

Natürlich kann es auch passieren, dass sie kein Interesse hat, aber lass dich davon nicht verunsichern. Es ist ganz normal, dass es mit dem Dating nicht jedes Mal klappt. Das ist so ähnlich wie beim Fussballspielen. Das kann man lernen und üben. Selbst ein Profifussballer trifft oft daneben. Aber er gibt dann nicht direkt auf und denkt: “Ich habe jetzt kein Tor geschossen, ich werde niemals das Tor treffen.” Stattdessen macht er weiter und versucht es wieder und wieder. Er weiß, dass er einfach weiter üben muss, und dass es immer besser klappen wird. So ist es auch mit dem Dating. Lass dich nicht unterkriegen, wenn es mal nicht klappt. Wie du das üben kannst, das kannst du in diesem Text nachlesen.

So wie du schreibst, scheint die Beziehung zu deinem Vater mit viel Abwertung verbunden gewesen zu sein. Das lässt mich vermuten, dass in deinem Leben Liebe immer an Bedingungen geknüpft war. Du wurdest nicht einfach so geliebt, wie du bist. Du glaubst vielleicht, nicht gut genug zu sein. Das ist bei deiner Geschichte verständlich. Doch du kannst, so wie du bist, geliebt werden. Wir haben ein Kapitel geschrieben, wo es um die Themen geht, die du beschreibst. Ich schlage vor, dass du dich da mal durchliest. Vielleicht möchtest du mit diesem Text beginnen. Vielleicht hilft dir auch professionelle Unterstützung. Zum Beispiel von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten.

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