Anorexie ist eine Essstörung, bei der du möglichst wenig essen möchtest und deshalb untergewichtig bist. Vielleicht lebst du ständig Diät, vielleicht isst du manchmal auch mehr und erbrichst das wieder.
Was ist Anorexie?
Eine Magersucht (Anorexie, Anorexia nervosa) ist eine Essstörung. Wenn du eine typische Anorexie hast, bist du untergewichtig. Genau genommen, dein Body Mass Index (BMI) ist unter 17.5, wenn du erwachsen bist. Oder er ist unter der 3. BMI-Perzentile für deine Altersgruppe, wenn du noch im Wachstum bist. Es kann aber auch sein, dass du nicht untergewichtig bist. Trotzdem denkst und verhältst du dich wie Menschen mit Magersucht – dann spricht man von "atypischer Anorexie". Atypisch heist untypisch. Wenn du Magersucht hast, dann hast du wahrscheinlich Angst vor dem Zunehmen. Vielleicht fühlst du dich dick und unförmig, obwohl du untergewichtig bist. Vielleicht hast du den Wunsch, abzunehmen. Deine Gedanken können dauernd ums Essen kreisen. Vielleicht zählst du ständig Kalorien. Vielleicht führst du Buch über alles, was du isst. Vielleicht stellst du dich oft auf die Waage. Möglicherweise hast du "Essrituale", also du musst auf eine ganz bestimmte Weise essen. Vielleicht kochst du für andere, du isst dann selbst aber nicht mit. Vielleicht willst du dich ständig bewegen und machst viel Sport, um Kalorien zu verbrennen.
Auch Essanfälle mit Erbrechen sind möglich
Die ständige Kontrolle und die Mangelernährung können auch dazu führen, dass das Fass sozusagen überläuft, und dass sich unkontrollierte Essanfälle einschleichen, die oft mit Erbrechen enden. Das Verhalten ist dann gleich wie bei der Bulimie. Man spricht aber nur von Bulimie, wenn du nicht untergewichtig ist. Sonst spricht man auch von Magersucht. Man unterscheidet daher zwei Typen von Anorexie: den restriktiven Typ (=ständig Diät) und den Binge-purging-Typ (=zwischendurch Essanfälle). Wenn du das Gefühl hast, dass du eine Magersucht vom Binge-purging-Typ hast, interessiert dich sicher auch unser Text über die Bulimie. Nicht selten beginnt die Essstörung als restriktive Magersucht und schlägt dann in Magersucht vom Binge-Eating/Purging-Typ um.
Wer hat Magersucht?
Oft beginnt eine Magersucht in der Pubertät, aber auch ältere Frauen können Magersucht haben. Es gibt auch immer mehr Jungen und Männer, die magersüchtig sind.
Was sind körperliche Begleiterscheinungen der Magersucht?
Durch schweres Untergewicht und schlechte Ernährung wird die psychische und körperliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt, es kann zu Konzentrationsstörungen und chronischer Müdigkeit kommen. Es kann sein, dass du launischer und empfindlicher wirst oder depressiv verstimmt. In deinem Körper können viele Organe und Organsysteme betroffen sein. Speziell gefährlich sind die Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem und das Blut. Magersucht ist gefährlich: Ca. 10 Prozent sterben daran. Die häufigsten Todesursachen sind Verhungern, Selbstmord und Elektrolytungleichgewicht. Wenn du deine Mens schon hattest, kommt es in der Regel zu Störungen des Menstruationszyklus. Bei Jugendlichen ist die psychosexuelle Entwicklung verzögert.
Die Knochen leiden ein Leben lang
Während die meisten Begleiterscheinungen der Magersucht vorbei gehen, wenn du wieder zunimmst, leidet dein Skelett ein Leben lang. Bei Untergewicht von über einem Jahr muss mit einem Verlust an Knochensubstanz gerechnet werden, welcher nicht mehr kompensiert werden kann. Du bekommst dann Osteopenie und Osteoporose. Wenn die Magersucht in der Wachstumsphase auftritt, kommt es zur Verzögerung des Wachstums bis hin zum Wachstumsstillstand.
Wie kommt es zur Magersucht?
Warum rutschen Menschen in die Magersucht? Da gibt es viele Gründe, und jede Person mit Magersucht hat ihre eigene Geschichte. Es gibt aber einige Dinge, die man allgemein sagen kann:
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Hochgefühl durch Fasten
Oft sind Menschen mit Magersucht stolz darauf, dass sie ihr Essverhalten scheinbar so gut unter Kontrolle haben. Das führt zu einem Hochgefühl, und es fällt ihnen schwer, die Kontrolle aufzugeben und wieder zu essen. Darum wird das Hungern zur Sucht. Das hängt auch damit zusammen, dass bei Hungern im Körper gewisse Botenstoffe freigesetzt werden, die eine fast schon euphorische Stimmung auslösen können. So lässt sich mit dem magersüchtigen Verhalten bisweilen schlechte Stimmung überdecken.
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Bedürfnis nach Kontrolle über sich und das Leben
Es ist bisweilen so, dass ihr Essverhalten das einzige im Leben ist, das Menschen mit Magersucht unter Kontrolle glauben. Magersucht kann also auch als ein Bedürfnis gesehen werden, dass du die Herrschaft über dich selbst und dein Leben hast. Verständlich, dass sie oft in der Pubertät beginnt. Du hast vielleicht das Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbehauptung und fühlst dich zugelich total machtlos und unsicher. Da kann das Kalorienzählen wie auch die tiefe Zahl auf der Waage das Gefühl geben: «Ich hab was im Griff».
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Umgang mit schwierigen Gefühlen
Magersucht kann auch entstehen, wenn du in einem sehr stressigen Milieu lebst oder früher gelebt hast. Vielleicht hast du schlimme Gewalt erlebt und probierst durch das Fasten, deine Gefühle zu unterdrücken. Oder vielleicht hast du ganz versteckten seelischen Missbrauch erlebt. Vielleicht wurdest du abgewertet. Vielleicht wurdest du vernachlässigt. Vielleicht wurdest du in den Himmel hochgejubelt, und man sah nur deine starken und «schönen» Seiten. Was so alles in der Kindheit passiert ist, und was das mit einem macht, da sind sich viele nicht bewusst. Denn das, was sie erlebt haben, ist «gewohnt» und «normal». Eine Magersucht zeigt dir, dass irgendwas irgendwo nicht stimmt oder gestimmt hat, und dass du mit dir selbst oder Teilen von dir deshalb nicht klar kommst.
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Nicht erwachsen werden wollen
Die Idee, eine Frau oder ein Mann werden zu müssen und kein Kind mehr zu sein, kann auch sehr beängstigend und überwältigend sein. Das Untergewicht kann den Körper kindlicher erscheinen lassen. Vielleicht rebellierst du damit auch dagegen, «Frau» oder «Mann» werden zu müssen. Ausserdem ist so ein körperliches Wachstum in der Pubertät völlig unkontrollierbar. Der Körper macht einfach, was er will. Da kann das Bedürfnis entstehen, dass du ihn durch Gewichtskontrolle besser «im Griff» hast.
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Angst vor Sex und Beziehungen
Wenn du normalgewichtig bist, wirst du auch sexuell attraktiv. Gerade bei Frauen braucht es ja Fett für die "weiblichen Rundungen". Wenn du dich dünn hältst, könnte das sein, dass du deine sexuelle Attraktivität stören möchtest. Denn du hast Angst vor Sex. Oder vor sexuellen Beziehungen. Vielleicht, weil du sehr unerfahren bist. Oder weil du etwas Schlimmes erlebt hast.
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Übertriebene Schlankheitsideale
Auch übertriebene Schlankheitsideale können die Magersucht fördern. Auch Leistungssportler*innen (Ballett, Ski, Eiskunst, Geräteturnen etc.) haben öfter Essstörungen, weil bei ihrem Sport zum Teil absurde Gewichtsvorgaben herrschen.
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Zwanghaftes Gesundessen
Manchmal rutscht man auch über eine Orthorexie in eine Anorexie.
Gönn dir fachliche Hilfe
Wenn du das Gefühl hast, dass du an einer Magersucht leidest, ist es eine gute Idee, wenn du dir fachliche Hilfe suchst. Es gibt viele verschiedene Angebote für Menschen mit Magersucht. Gönne dir fachliche Hilfe! Auf unserer Linkliste kannst du dich nach Angeboten in deiner Nähe umsehen.
Es ist auch hilfreich, die Ursachen hinter den Problemen mit dir selbst anzugehen. Diese liegen in der Regel in der Kindheit. Hierzu empfehlen wir dir diesen Text.
Weitere Tipps zum Thema Anorexie findest du in diesem Factsheet der Arbeitsgemeinschaft Essstörungen.