Schluss mit Gewalt / Gewalt erlebt: Unterstützung und Strafanzeige:
Hol dir unbedingt Unterstützung – egal ob du heute Gewalt erlitten hast oder ob sie Jahre zurück liegt. Warum das so wichtig ist, erfährst du in diesem Text. Du liest auch, an wen du dich wenden kannst.
Hab Mut, dir Unterstützung zu holen
Vielleicht hast du körperliche, sexuelle oder emotionale Gewalt erlebt – oder erlebst sie immer wieder. Du würdest du dir sehr gern helfen lassen. Aber vielleicht willst du die Personen schützen, die dir etwas angetan haben. Möglicherweise sind das Personen, die du liebst – zum Beispiel deine Eltern. Oder vielleicht wirst du von ihnen bedroht oder erpresst. Oder du schämst sich, findest dich schuldig, und befürchtest, dass dir niemand glaubt. Darum ist es wichtig, dass du weisst: Du bist nie Schuld daran, wenn du Gewalt erlebt hast. Du kannst die Verantwortung für dein Wohlergehen übernehmen und Leute finden, die dir dabei helfen, dass es dir besser geht.
Vielleicht findest du auch: "Andere haben/hatten es viel schlimmer als ich" und dass du da allein durchmusst. Wir finden: Vergleich dich nicht mit anderen. Dein Wohlergehen ist dein ganz persönliches Wohlergehen. Und manchmal ist Gewalt ziemlich versteckt. Aber du spürst die Folgen.
Mit Familienangehörigen reden – ja oder nein?
Wenn du Gewalt in der Familie erlebt hast, ist es eine gute Idee, wenn du mit jemand ausserhalb der Familie redest. Denn die Familienangehörigen sind manchmal ziemlich miteinander verstrickt.
Falls du die Gewalt nicht in der Familie erlebt hast, sind Familienangehörige möglicherweise die besten Redepartner für dich. Es ist aber auch verständlich, falls das für dich nicht so ist. Velleicht möchtest du sie nicht belasten. Oder du hast Angst, dass sie dich mehr kontrollieren wollen, weil sie sich Sorgen um dich machen. Oder du befürchtest, dass sie sich selbst oder dir Vorwürfe machen. Eltern reagieren oft mit starken Schuldgefühlen, weil sie ihr Kind nicht vor dem schützen konnten, was passiert ist.
Wenn du fühlst, dass du nicht mit deinen Eltern reden möchtest, ist es wichtig, dass du dir andere Vertrauenspersonen suchst.
Wer sind erste Ansprechpersonen?
Gibt es in deinem privaten Umfeld eine Person, der du vertraust? Wenn es nicht die Eltern sind – gibt es Verwandte, Freund*innen, Lehrer*innen, Betreuer*innen oder Arbeitskolleg*innen? Wenn du minderjährig bist, suche dir umbedingt Erwachsene als Vertrauenspersonen.
Oft ist es besser, mit einer Fachperson zu reden. Fachpersonen sind ausgebildet zum Thema Gewalt und wissen aus beruflicher Erfahrung, was du durchmachst. Sie haben eine gute Vorstellung davon, was du jetzt brauchst. Und das Gespräch ist völlig vertraulich. Sie erzählen es niemandem weiter.
- Du kannst dich an eine Beratungsstelle der Opferhilfe wenden, ohne deinen Namen zu sagen. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und fachlich kompetent. Du kannst dich dort auch per Chat beraten lassen oder eine persönliche Onlineberatung in Anspruch nehmen.
- Du kannst das Sorgentelefon (Nummer 143) anrufen oder, wenn du jugendlich bist, Telefon 147.
- Du kannst uns immer im Fragefenster anonym schreiben.
Warum ist sofortige Unterstützung so wichtig?
- Du bist nicht mehr allein
Vielleicht kennst du den Ausdruck «sich etwas vom Leib reden» oder «etwas loswerden». Sie drücken aus, dass Reden mit einer vertrauten Person ganz schön erleichternd sein kann. Du stellst das Gesagte sozusagen aus dir heraus. Dadurch geht es dir besser, weil du ein bisschen Abstand dazu gewonnen hast. Und die Person, der du etwas erzählst, teilt das dann mit dir – daher kommt das Wort «mit-teilen». Wenn du redest, fühlst du dich also nicht mehr so allein. Oft hilft es schon, wenn du einfach nur erzählst, was du erlebt hast. Wenn dir etwas Schlimmes passiert ist, ist es sehr gut, es mit anderen zu teilen. Du hast dann Verbündete und trägst nicht die ganze Last allein. - Du kommst mit deinen Gefühlen besser klar
Wenn du körperliche Gewalt und/oder einen sexuellen Übergriff erlebt hast, erlebst du unter Umständen intensive Gefühle, die dich sehr belasten. Wenn du dich lang mit den Gedanken quälst, verlierst du die Klarsicht. Du zweifelst vielleicht, ob du dich gut genug gewehrt hast. Du hast Schuldgefühle. Du glaubst dir nicht mehr und traust deinen Gefühlen nicht mehr. Du siehst sozusagen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Da kann es sehr helfen, wenn du mit anderen darüber redest. Denn Aussenstehende sehen die Dinge oft klarer als du und können dir bestätigen, dass du keine Schuld an der Gewalt hast. Wenn du unmittelbar nach einer Gewalterfahrung Unterstützung bekommst, hilft dir das bei der Verarbeitung. - Du kriegst ärztliche Soforthilfe
Wenn du körperliche Gewalt erlebt hast, geht es zu aller erst um deine Gesundheit. Deine körperlichen Verletzungen müssen behandelt werden.
Wenn du weisst oder befürchtest, dass du sexuelle Gewalt erlitten hast, solltest du dich medizinisch beraten lassen, damit eine Schwangerschaft verhindert werden kann und Infektionen vorgebeugt oder behandelt werden können. Auch die Spurensicherung kann so gemacht werden. Die Behandlung und Beratung ist vertraulich. Mehr dazu erfährst du in diesen Text über Soforthilfe nach einem sexuellen Übergriff. - Du bringst dich in Sicherheit
Das Wichtigste ist, dass du vor weiterer Gewalt geschützt wirst. Falls der*die Täter*in dich weiter bedroht, verfolgt oder einschüchtert, ist es besonders wichtig, dass du dir fachliche Unterstützung holst oder an die Polizei wendest. Es gibt auch Schutzhäuser, in die du gehen kannst. Du kannst bei der Polizei eine Strafanzeige machen. Für ein Strafverfahren sind Beweise wichtig. Dazu müssen Verletzungen dokumentiert werden. Ausserdem müssen Spermaspuren, Speichelreste, zerrissene Kleidungsstücke usw. gesichert werden. Viele Ärzt*innen wissen dies bereits und können solche Beweise sichern und Verletzungen fotografieren.
Wie verarbeite ich Folgen von Gewalt?
Möglicherweise liegt die Gewalt, die du erlebt hast, schon länger zurück. Vielleicht willst du das, was passiert ist, einfach vergessen. Möglicherweise gelingt dir das auch ganz gut. Aber vielleicht kommen Erinnerungen daran auch immer wieder hoch – in Träumen oder in gewissen Situationen. Es kann auch sein, dass du dich in deinem Leben irgendwie eingeschränkt fühlst, mit deinem Verhalten Probleme bekommst und nicht mehr so zuversichtlich in die Zukunft blickst. Oder du hast eine psychische Störung, die mit Gewalterfahrungen zusammenhängen könnte.
Dann ist eine Psychotherapie hilfreich. Sehr gut möglich, dass du Dinge als traumatisch erlebt hast und von einer Traumatherapie profitieren könntest. Links zu Psychotherapeut*innen findest du auf unserer Linkliste. Du kannst dich auch an eine Beratungsstelle der Opferhilfe wenden. Dort kann man dir bei deinen Prolemen helfen und gegebenenfalls geeignete Psychoterapeut*innen vermitteln.
Es ist aus unserer Sicht nie zu spät, sich Hilfe zu holen. Auch wenn du viele Jahre gelitten hast, kannst du trotzdem eine gute Zukunft haben.
Du kannst uns auch immer anonym ins Fragefenster schreiben.