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Dissoziation nach traumatischen Erlebnissen

Dissoziation ist ein Notprogramm. Sie ermöglicht Abstand zu nehmen von Erinnerungen an Gewalttaten. Deine Persönlichkeit kann dabei auch in verschiedene Anteile unterteilt werden.

Wie kommt es zu Dissoziation?

Wenn du dauernd von schlimmen Erinnerungen, Bildern und Gefühlen überspült wirst, kannst du nicht mehr wählen, worauf du dich konzentrieren möchtest. Damit dein Kopf damit umgehen kann, dissoziiert er. Andere Überlebensformen findest du hier.

Was ist Dissoziation?

Ein Mann mit ernstem Gesichtsausdruck hat eine Hälfte seines Gesichts von sich abgetrennt. Er versucht sie mit beiden Händen von sich wegzuschieben.

Dissoziaton heisst Abspaltung. Das kann sich in verschiedenen Formen zeigen.

  • Dein Gedächtnis steigt aus: Du erinnerst dich nicht an traumatische Ereignisse. Du hast vielleicht auch Schwierigkeiten, dich an bestimmte Lebensabschnitte zu erinnern. Oder du verlierst an manchen Tagen immer wieder Zeit oder erlebst die Zeit verzerrt – viel schneller oder viel langsamer.
  • Dein Wahrnehmungsgefühl ist verändert. Körperbereiche können sich taub anfühlen, oder du bewegst dich unsicher. Es kann sein, dass du innerlich aussteigst und die eigene Umgebung nicht mehr oder verändert wahrnimmst.
  • Dein Identitäts- oder Selbstgefühl kann unsicher sein. Das fühlt sich so an, als wenn manche Gefühle und Gedanken nicht zu dir gehören. Du denkst dann: «Das bin doch nicht ich. So denke ich doch nicht!».

Wie hängt Dissoziation mit Selbstverletzung zusammen?

Wenn sich die Dissoziation auf die Wahrnehmung des eigenen Körpers bezieht und die inneren Spannungen hoch sind, beginnen viele Menschen sich selbst zu verletzen, um sich aus dem abgespaltenen Zustand zurückzuholen und wieder zu spüren. Sie schneiden sich die Arme auf, kneifen sich wund, schlagen den Kopf an die Wand oder verbrennen sich mit Kerzen oder Zigaretten. Oder sie verletzen sich auf andere Art und Weise. Die meisten Menschen sagen, dass sie den körperlichen Schmerz kaum oder gar nicht spüren. Sie fühlen sich nach der Selbstverletzung aber deutlich ruhiger. Vielleicht geht es dir auch so.

Wie kann ich Selbstverletzung verhindern?

Hier sind einige praktische Dinge, die du tun kannst, um du deine Spannungen und deine Körperwahrnehmung zu beeinflussen:

  • nicht aufhören zu atmen – konzentriere dich stattdessen darauf, langsam zu atmen und etwas länger auszuatmen als einzuatmen
  • sich selbst kneifen; ein Gummiband, das du wie ein Armband um den Arm trägst, schnappen lassen; einen harten oder spitzen Ball drücken
  • das Waschbecken mit kaltem Wasser füllen und das Gesicht darin eintauchen; kalt oder abwechselnd heiß und kalt duschen
  • an etwas mit starkem Geruch riechen (z. B. Ammoniak, Pfefferminz); auf Ingwer oder etwas anderem mit intensivem Geschmack kauen
  • laut Musik hören und am besten dabei singen und tanzen
  • Sport, zum Beispiel Joggen
  • mit Freund*innen reden; sich einer Vertrauensperson anvertrauen

Wir empfehlen dir ausserdem, dass du dir Psychotherapeut*innen oder andere Fachpersonen suchst, mit denen du lernen kannst, die Gefühle zu fühlen, die du jetzt mit den Selbstverletzungen verdeckst.

Was, wenn ich Teile von mir nicht mag?

Durch lange und andauernde Gewalterfahrung kann es sein, dass du nicht eins mit dir bist. Du erlebst dich vielleicht ganz unterschiedlich; du bist in einer Situation ganz anders als in der anderen. Dann spricht man auch von struktureller Dissoziation. Das ist sozusagen ein Versuch, ganz widersprüchliche Gefühle und Erlebniszustände in einen Kopf unterzubringen. Ausserdem kann man so Gefühlsanteile und Erlebniszustände "abspalten", die sehr wehtun oder als gefährlich erlebt werden.

Viele von uns kennen das, dass wir uns nicht ganz akzeptieren und Teile von uns nicht mögen. Vielleicht reden wir dann böse mit uns, machen uns herunter, wollen uns bestrafen. Möglicherweise haben wir da Stimmen übernommen, die wir früher mal gehört haben und die uns fertig gemacht haben. Wir machen Teile von uns fertig, weil die "stören" oder uns früher Probleme geschaffen haben. Vielleicht mögen wir zum Beispiel unsere "schwache" Seite nicht. Oder eine traurige. Oder eine ängstliche. Wir haben gelernt, die fertig zu machen, weil wir gelernt haben, uns zusammenzureissen Wie ist das bei dir?

Oft ist es auch so, dass wir die Sichtweise unserer Eltern übernehmen oder anderer wichtiger Bezugspersonen von damals, die uns auf irgend eine Weise gequält oder fertig gemacht haben. Denn von diesen waren wir in unserem Überleben abhängig. Wir konnten nicht einfach wegrennen. Wir mussten ihnen gegenüber loyal sein. Das sind wir heute noch. Das hängt mit dem traumatischen Gedächtnis zusammen, was in diesem Text über Flashbacks genauer beschrieben wird. Und so machen wir uns selbst fertig.

Das Ziel ist, dass du sauber Vergangenheit von Gegenwart trennst, und dass du allen Gefühlszuständen einen guten Platz gibst. So gelingt es dir, dass du aus diesen widersprüchlichen und einander bekämpfenden Teilen ein Ganzes machst, das mit sich selbst im Reinen ist. Und alles in sich akzeptiert. Sehr schön wird das in der Song-Performance "Hi Ren" dargestellt. Hier ein Link mit deutschen Untertiteln.

Wie komme ich besser mit mir klar?

Wir empfehlen dir sehr, dass du eine Psychotherapie machst bei jemandem, der auch auf Trauma spezialisiert ist. Sei geduldig: Die Bearbeitung von Traumafolgen braucht Zeit.

Bis du eine Therapie beginnst, kannst du auch etwas tun: Beobachte, was dir gut tut und was nicht. Lass dich nicht einschüchtern, wenn in dir Chaos herrscht. Nimm all deinen Mut zusammen und beobachte das Chaos. Vielleicht beobachtest du, dass du dich nicht gut um dein Wohlgefühl kümmern kannst. Wir empfehlen dir deswegen, in kleinen Schritten ein "Verwöhn-Programm" zu etablieren. Dazu kann Folgendes gehören. Sportliche Aktivitäten, die dir gut tun und Spass machen. Leckeres Essen, dass du langsam isst und vielleicht sogar selbst zubereitest. Rückzugszeiten vor dem TV bei unwichtigen Sendungen ohne schlechtes Gewissen. Physiotherapie oder Körpertherapie, in der du lernst, durch Bewegung deine Stimmung zu beeinflussen. Baden oder Duschen. Schwimmen oder Wellnessen.

Menschen fühlen sich wohler, wenn sie sich handelnd erleben. Dabei ist die konkrete Handlung gar nicht so wichtig. Hauptsache es passiert etwas. Nimm jetzt unsere Vorschläge als Anregung und überlege dir, welche Art Verwöhnung du dir zutraust. Nimm dir nur kleine Schritte vor, und lass dich nicht von deinem schlechten Gewissen stören.