Frauwerden ist keine leichte Aufgabe. Dazu gehört die Entwicklung eines guten Körperbilds und Körpergefühls. Deinen Körper spüren mit geschlossenen Augen, ohne ihn zu bewerten, hilft dabei.
Frauwerden ist eine lange Entwicklung
Dein Körper verändert sich sehr in der Pubertät und Adoleszenz. Du wirst vom Mädchen zur Frau. Es ist eine grosse Aufgabe, dich in deinem Körper zuhause und wohlzufühlen - also ein gutes Körperbild und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. Das ist eine lange Entwicklung, und bei vielen Frauen geht sie im Erwachsenenalter weiter.
Diese Entwicklung betrifft alle Frauen! Auch wenn sich dein Körper aufgrund einer Beeinträchtigung oder Behinderung nicht so entwickelt, wie der von anderen gleichaltrigen jungen Frauen, so macht er dennoch eine Entwicklung mit. Nimm die Veränderungen neugierig wahr, ohne dich mit anderen Mädchen oder Frauen zu vergleichen. Denn das tut man häufig nur mit einer Besser-Schlechter-Brille.
Körpergefühl ist wichtiger als eine tolle Nase
Egal was für einen Körper dir die Natur mitgegeben hat, du kannst lernen, dich in deinem Körper gut zu fühlen. Mit einem guten Körpergefühl fühlst du dich besser und wirkst besser auf andere. Deshalb lohnt es sich, etwas dafür zu tun. Es hilft, wenn du verschiedene Dinge ausprobierst, um das zu finden, was zu dir passt. Das kannst du machen:
Spüre deinen Körper mit Augen zu
Dein Körper sieht nicht nur aus – er fühlt sich auch an. Das vergisst man manchmal, vor allem, wenn man viel zu tun hat. Dann tut es besonders gut deinen Körper zu spüren, und zu spüren, wie gut er sich anfühlen kann. Du kannst dich z.B. abends im Bett streicheln, oder in der Badewanne. Wenn du die Augen zu machst, spürst du mehr.
Wenn du dich aufgrund einer Behinderung nicht selbständig anfassen kannst, so kannst du jede Berührung nachfühlen, die du dir selbst geben kannst. Manchmal hilft es auch, einfach darum zu bitten, nackt liegen gelassen zu werden, um deinen Körper in Ruhe streicheln zu können.
Durch Spüren bekommen Ideale weniger Macht
Wenn du spürst, wie gut sich dein Körper anfühlt, musst du dich nicht so sehr an äusseren Schönheits- und Schlankheitsidealen festhalten. Erforsche so oft wie möglich mit den Händen deinen ganzen Körper. Schliesse dabei die Augen. Welche Berührungen sind angenehm? An welchen Stellen des Körpers? Je mehr du dich erforschst, desto mehr angenehme Berührungen wirst du entdecken. Es gibt immer zwei Perspektiven: Was fühlt die Hand, mit der du dich streichelst? Und was fühlt die Körperstelle, die du mit dieser Hand berührst?
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Bewerte nicht
Häufig driften dabei die Gedanken ab und du fängst vielleicht an, dich zu bewerten. Wenn wir etwas bewerten, vergleichen wir es mit einem Ideal. Wir richten unsere Aufmerksamkeit also auf etwas, was nicht da ist – statt das zu sehen und zu spüren, was ist. Es ist normal, dass dir das passiert. Wenn du Bewertungen bemerkst, kannst du zu dir selbst sagen: „Vielen Dank, aber ich beobachte nur“.
Lockere Bewegung tut gut
Das ist sehr wichtig. Der Körper fühlt sich besser an, wenn er locker bewegt ist, als wenn er angespannt oder schlaff ist. Bitte lies diesen Text darüber, wie du über den Körper die Stimmung und die Haltung dir selbst gegenüber verändern kannst.
Spiel mit deinem Aussehen
Spiel damit, wie du dich anziehst und ob oder wie du dich schminkst. So entwickelst du deinen eigenen Stil, den du auch immer wieder ändern kannst. Frausein hat viele Facetten – es heisst nicht unbedingt, Kleider und Röcke zu tragen und dich möglichst sexy zu präsentieren. Probier aus, in welchen Klamotten du dich schön findest und dich wohlfühlst. Schau dich in verschiedenen Kleidern im Spiegel an und beobachte, wie du dich fühlst. Wenn du Probleme mit dem Spiegel hast, lies bitte diesen Text.
Viele Mädchen und Frauen mit Behinderung werden gerne „praktisch“ angezogen oder ziehen "praktische Kleidung" an. Wenn du dich darin wohlfühlst, ist das super. Aber wenn du neugierig bist, wie du in anderen Kleidern aussiehst, probiere sie aus. Vielleicht entdeckst du auch einen Kleidungsstil für dich, in dem du dich ebenfalls wohlfühlst und der dir noch mehr Möglichkeiten gibt, dich schön zu fühlen.
Attraktivität heisst Ausstrahlung
Attraktivität hat nichts mit Modellmassen oder den besten Schminktipps zu tun. Wie es dir in dir selbst geht, bestimmt, wie du wirkst. Deine Ausstrahlung wird besser. Du kannst viel dafür tun, dass du dich interessant, attraktiv, sexy und liebenswert machst.
Genussvolle Selbstbefriedigung macht dich als Frau sicherer
Nimm dir Zeit für das Erkunden deines äusseren und inneren Geschlechts und für die Selbstbefriedigung. Das Ziel ist, dass du dein Geschlecht ebenso gut spürst und bewohnst wie den Rest deines Körpers. Das Geschlecht ist der Kern der Frau, und wenn du dort zuhause bist, fühlst du dich als ganze Frau wohler und selbstsicherer. Suche mit der Hand auch erregende Stellen an deinem restlichen Körper. Wie spürst du z.B. deine Brüste? Deinen Nacken? Das Gesicht? Und so weiter…
Zeit lassen bei der Körperpflege
Bei täglichen Routinen gibt es einen Spielraum zwischen „schnell mal das Gesicht sauberkriegen“ und „spüren, wie sich das Wasser auf der Haut anfühlt“. Wenn du möchtest, kauf dir dafür duftende Pflege- und Kosmetikartikel, die sich gut anfühlen. Pflege und verwöhne auch deine Geschlechtsregion. Lass dir Zeit. Wenn du deinen Körper langsam pflegst, spürst du ihn besser.
Deinen Körper pflegen und verwöhnen geht auch, wenn du Unterstützung bei der Körperpflege benötigst. Bitte deine Eltern (oder andere Menschen, die dir bei der Körperpflege helfen), die Produkte zu nutzen, die du gerne möchtest. Am besten suchst du dir einen Tag aus, an dem es keinen Zeitdruck gibt, und nimmst dir ausgiebig Zeit für dein ganz persönliches Verwöhn-Programm. Wenn du nach der Körperpflege noch Zeit allein möchtest, kannst du das sagen.
Gönn dir ab und zu Verwöhnung
Vielleicht hast du ab und zu Lust, deinem Körper ausgiebige Entspannung zu gönnen. Wie wär’s mit Wellness, Massagen oder einem Besuch bei der Kosmetikerin? Auch eine Massage mit einer Freundin oder einem Freund kann gut tun.
Kuscheln und Umarmungen tun gut
Wenn man erwachsen wird, geht manchmal liebevoller Körperkontakt im Alltag verloren. Daran kannst du etwas ändern. Umarmungen zur Begrüssung können auch länger sein, und vielleicht gibt es Freundinnen oder Freunde, mit denen du kuschelnd erzählen oder einen Film gucken kannst.
Das kannst du auch machen, wenn du einen Rollstuhl nutzt. Viele Menschen wissen nicht, wie man einen Menschen im Rollstuhl umarmt und drückt. Wenn du diesen Menschen aber sagst, „du kannst mich gerne drücken und ich freue mich darüber“, werden sie es sicherlich mit Freude machen.
Hobbies und Sport tun gut
Such dir Hobbies und Freizeitaktivitäten, die deine Körperwahrnehmung fördern und gute Körpergefühle geben: Sport, Yoga, Tanzen, Sauna, Singen, Massage, Spazierengehen usw. Auf Ideen, welche Sportart zu dir passen könnte, kommst du z.B. beim Sportarten-Kompass von feelok. Vielleicht hast du eine Freundin, die schon so etwas macht und dich mitnehmen könnte? Sportmuffel und Stubenhockerinnen können sich besser überwinden, wenn sie sich mit anderen verabreden und feste Termine haben.
Und ja, viele dieser Aktivitäten kannst du auch machen, wenn du eine Behinderung oder Beeinträchtigung hast.
Fortpflanzung und Verhütung
Du bist eine Frau. Dein Geschlecht ist ein wichtiger Teil von dir. Um dich in deinem Frauenkörper wohlzufühlen, hilft es, dein Geschlecht kennen und spüren zu lernen. Informiere dich auch darüber, wie dein Geschlecht funktioniert. Es ist faszinierend, was ein Frauenkörper alles kann, damit er einen Menstruationszyklus hat und damit eine Schwangerschaft möglich ist. Mach dich schlau darüber, wie du dich vor einer Schwangerschaft und vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen kannst. Bescheid zu wissen, macht dich als Frau selbstsicherer.
Such dir weibliche Vorbilder
Lies Bücher und sieh dir Filme an, in denen die Heldinnen Frauen sind. Möchtest du sein wie eine dieser Frauen? Was macht sie so besonders? Such dir auch weibliche Vorbilder in deinem Umfeld: Frauen, die du magst, die sich als Frau wohlfühlen und die so leben wie du als Frau auch leben möchtest. Wenn du dich mit so einer Frau anfreundest, kannst du sicher viel von ihr lernen. Pflege Freundschaften mit Frauen in deinem Alter. Ihr könnt gemeinsam Erfahrungen machen und euch gegenseitig Tipps geben.
Für Frauen mit Behinderung ist es wichtig, sowohl Vorbilder zu haben, die ebenfalls eine Behinderung haben, als auch welche, die keine haben. Es ist schön, Freundinnen ohne Behinderung zu haben. Aber genauso schön ist es, sich mit Freundinnen mit Behinderung auszutauschen und sich gegenseitig Tipps geben zu können, über die Dinge, die man sich vielleicht gar nicht traut, mit Menschen ohne Behinderung zu besprechen.
Wenn es dir nicht gelingt...
Wenn du merkst, dass es dir gar nicht gelingt, dich in deinem Körper wohlzufühlen, ist professionelle Unterstützung sinnvoll. Suche eine Therapeutin aus, die mit dem Körper arbeiten kann und wo du allenfalls auch deine Sexualität weiterentwickeln kannst. Schau dich doch mal in unserer Linkliste der Psychotherapeut*innen oder Sexualtherapeut*innen um.